Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Mönchskraut

Das Mönchskraut

Titel: Das Mönchskraut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ellis Peters
Vom Netzwerk:
starrte Aelfric hilflos auf die Scherben, erinnerte sich an seine häuslichen Pflichten und fragte unsicher: »Soll ich nicht Ordnung machen?«
    »Nein, vorerst darfst du nichts anrühren«, erwiderte Cadfael.
    »Bleib sitzen und beruhige dich. Die Beamten des Landrats müssen sich hier alles ansehen, danach kannst du aufräumen.«
    Er ließ sie für kurze Zeit allein, kehrte ins Schlafzimmer zurück und schloß die Tür hinter sich. Das seltsame Aroma war jetzt kaum noch wahrzunehmen, wurde fast völlig vom übermächtigen Geruch des Erbrochenen verdrängt. Er beugte sich zu den verzerrten Lippen des Toten hinab, und da drang ihm jener Duft wieder etwas stärker entgegen. Cadfaels Nase war stumpf und während seiner Jugend in vielen Kämpfen mißhandelt worden, aber er besaß einen ebenso unbestechlichen Geruchssinn wie ein Hirsch.
    Ansonsten konnte ihm das Totenzimmer nichts verraten. Er ging wieder zu der bedrückten Gesellschaft im Nebenraum. Die Witwe hatte die ineinandergeschlungenen Hände in den Schoß gelegt, schüttelte ungläubig den Kopf und murmelte immer wieder vor sich hin: »Wie konnte das nur geschehen? Wie konnte das geschehen?« Die Magd, deren Augen bis jetzt trocken geblieben waren, hatte schützend einen Arm um die Schultern ihrer Herrin gelegt. Die Zuneigung, die sie ihr entgegenbrachte, ging offensichtlich über die Loyalität eines Dienstboten hinaus. Die beiden jungen Männer rutschten unbehaglich auf ihrer Bank hin und her, anscheinend unfähig, stillzusitzen.
    Cadfael ließ seinen Blick über das Durcheinander auf der Tischplatte wandern. Drei Gedecke waren aufgelegt, mit drei Bechern. Auf dem Platz des Masters hatte man eine der Bänke, die keine Rückenlehne hatte, durch einen Stuhl ersetzt. Sein Becher lag umgestürzt in einer Bierpfütze, war vermutlich umgestoßen worden, als Bonel seine ersten Schmerzen verspürt hatte und aufgesprungen war. In der Mitte stand die große Schüssel mit den kalten Resten der Hauptmahlzeit. Die Speisen auf einem der Teller waren kaum angerührt worden, die anderen waren leergegessen. Fünf Leute - nein, offenbar sechs - hatten vom Hauptgericht gegessen, und nur einer war vergiftet worden. Da stand auch die kleine Schüssel, die zu Abt Heriberts Hausrat gehörte und die Cadfael auf Aelfrics Tablett gesehen hatte, als der junge Mann durch den Klosterhof gegangen war. Nur ein kleiner Saucenrest war darin übriggeblieben. Prior Roberts Geschenk war sichtlich gewürdigt worden.
    Cadfael beugte sich über die Schüssel, um daran zu riechen.
    »Hat nur Master Bonel von diesem Gericht gegessen? Sonst niemand?«
    »Nein, sonst niemand«, antwortete die Witwe mit zitternder Stimme. »Es war als besondere Aufmerksamkeit für meinen Mann gedacht.«
    Er hatte alles aufgegessen und war daran gestorben.
    »Und ihr drei - Meurig, Aelfric und du, mein Kind ... Ich weiß noch gar nicht, wie du heißt.«
    »Aldith«, sagte das Mädchen.
    »Habt ihr drei in der Küche gegessen, Aldith?«
    »Ja. Vorher mußte ich diese zusätzliche Schüssel warmhalten, bis die anderen leergegessen waren, und bei Tisch bedienen. Aelfric und ich essen immer in der Küche - und Meurig auch, wenn er zu Besuch kommt ...« Sie machte eine kleine Pause, eine leichte Röte färbte ihre Wangen. »Er - er leistet mir manchmal Gesellschaft.«
    Aus dieser Richtung wehte also der Wind. Kein Wunder - Aldith war wirklich ein sehr hübsches Mädchen.
    Cadfael ging in die Küche und betrachtete die sauber gescheuerten, glänzend polierten Töpfe und Pfannen. Sie war nicht nur hübsch, sondern auch tüchtig. Die Kohlenpfanne war von einem Eisengestell umgeben, daran hing ein Kessel, direkt über dem Feuer. Zwei Bänke waren an die Wand gerückt, nahe der wärmespendenden Glut. Auf einem Regal unter dem offenen Fenster standen drei benutzte Holzteller.
    Das Schweigen hinter ihm war beklemmend, erfüllt von einer kalten Angst vor künftigem Unheil. Cadfael trat an die offene Hintertür und blickte auf die Straße.
    Zum Glück mußte er sich mit keinem zweiten, noch schrecklicherem Todesfall befassen. In wehender Kutte und sichtlicher Bestürzung näherte sich Prior Robert dem Haus - zu würdevoll, um zu laufen, aber mit so langen Beinen ausgestattet, daß Bruder Edmund nur mühsam mit ihm Schritt halten konnte.
    »Ich habe einen Laienbruder nach Shrewsbury geschickt«, berichtete der Prior, wobei er sich an den gesamten Haushalt wandte. »Er wird den Landrat benachrichtigen, da ich gehört habe, daß der

Weitere Kostenlose Bücher