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Das Mönchskraut

Das Mönchskraut

Titel: Das Mönchskraut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ellis Peters
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muß entweder aus der Vorratsflasche stammen, die ich in meinem Schuppen aufbewahre, oder aus einem kleineren Behälter, den ich damit gefüllt habe. Ich kenne nur einen einzigen Ort, wo solche kleineren Flaschen zu finden sind - das Hospital. Das Gift wird einer Pflanze namens Eisenhut entnommen. Aus ihren Wurzeln läßt sich eine schmerzstillende Essenz gewinnen, die aber nur äußerlich angewandt werden darf. Sobald man sie einnimmt, übt das Gift eine höchst gefährliche Wirkung aus.«
    »Wenn es dir gelungen ist, diese Pflanze zu medizinischen Zwecken zu verwerten, dann können das andere Leute sicher auch«, wandte Prior Robert ein und starrte Cadfael in kalter Abneigung an. »Also ist es keineswegs erwiesen, daß das Gift aus einem unserer Vorratslager entwendet wurde. Vielleicht kommt es aus einer ganz anderen Quelle.«
    »Das bezweifle ich«, entgegnete Cadfael. »Der Geruch meines Öls ist mir wohlvertraut, und ich habe hier nicht nur das Aroma von Eisenhut, sondern auch von Senf und Hauslauch wahrgenommen. Ich habe die Symptome schon einmal beobachtet, die durch diese Mischung hervorgerufen werden, und ich würde sie jederzeit wiedererkennen. Das werde ich auch dem Landrat sagen.«
    »Nun«, bemerkte Robert, noch abweisender als zuvor, »es ist nur recht und billig, daß ein Mann über seine eigene Arbeit Bescheid weiß. Bleib also hier und hilf Herrn Prestcote und seinen Beamten, die Wahrheit herauszufinden - was immer die Untersuchungen ergeben mögen. Zuerst werde ich mit ihnen sprechen, denn ich bin in unserem Haus für Ruhe und Ordnung verantwortlich. Dann will ich sie hierher schicken. Wenn sie glauben, alle Spuren gesichert zu haben, werde ich den Bruder Krankenpfleger verständigen. Er wird die Leiche präparieren und in die Kapelle bringen«, fuhr er in sanfterem Ton, zu der Witwe gewandt, fort. »Du brauchst nicht zu befürchten, daß wir dir dein Wohnrecht in diesem Haus streitig machen werden, Mistreß Bonel. Denn wir wollen dir keinen zusätzlichen Kummer bereiten - im Gegenteil, wir trauern mit dir. Wann immer du meiner Hilfe bedarfst, schick bitte deinen Diener zu mir.«
    Der Prior drehte sich zu Bruder Edmund um, der beklommen hinter ihm stand. »Komm mit mir! Ich möchte sehen, wo diese Arzneien aufbewahrt werden und ob es möglich ist, daß sich unbefugte Leute Zugang zu deinen Vorräten verschaffen.
    Bruder Cadfael wird hierbleiben.«
    Er verließ das Haus in ebenso imposanter Haltung, wie er erschienen war, und genauso schnell. Der Krankenpfleger folgte ihm auf den Fersen. Cadfael schaute dem Prior verständnisvoll nach. Für Robert war es eine Katastrophe, daß dieses unselige Ereignis sein neues Amt überschattete, das er eben erst angetreten hatte. Er würde alles tun, um Master Bonels Ableben als bedauerlich, aber durchaus natürlich hinzustellen, vielleicht als Folge eines plötzlichen Herzschlags.
    Angesichts der ungesiegelten Übertragungsurkunde hatte er ohnehin schon genug Probleme. Und so würde er sich eifrig bemühen, das andere Übel an der Wurzel zu packen und jenen skandalösen Mordverdacht im Keim zu ersticken oder, falls ihm nichts anderes übrigblieb, dem Todesfall den Anschein eines ungelösten Rätsels geben, das ein unbekannter Schurke außerhalb der Enklave verschuldet hatte. Cadfael konnte ihm das nicht verdenken. Aber immerhin war ein Erzeugnis aus seiner Hand, das Schmerzen lindern sollte, als Mordwerkzeug benutzt worden. Und deshalb war er fest entschlossen, der Sache auf den Grund zu gehen.
    Seufzend wandte er sich wieder zu den anderen und blinzelte verwirrt, als er die dunklen Augen der Witwe auf sich gerichtet sah, tränenlos und strahlend, mit einem so sternenhellen Blick, als wären in einer einzigen Sekunde zwanzig Jahre und schwere Bürden von ihren Schultern genommen worden. Er hatte bereits geahnt, daß sie der Verlust ihres Gemahls zwar tief erschüttert, aber ihr Herz keineswegs gebrochen hatte. Nun wurde diese Vermutung bestätigt. Vor ihm stand die Richildis, die er vor zweiundvierzig Jahren verlassen hatte. Eine leichte Röte stieg in ihre Wangen, der zögernde Schatten eines Lächelns umspielte ihre zitternden Lippen. Sie sah ihn an und schien ein Wissen mit ihm zu teilen, das allen anderen versagt blieb und das sie nur deshalb nicht aussprach, weil die Anwesenheit der anderen sie daran hinderte.
    Er starrte sie an, ohne zu begreifen, was dieses plötzliche Wiedererkennen bewirkt hatte, das ihm gerade jetzt äußerst ungelegen kam und die Lage

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