Das Mönchskraut
auch hier? Gehörst du zu diesem Haushalt?«
»Jetzt nicht mehr«, erwiderte Meurig diensteifrig. »Früher habe ich in Master Bonels Haus Mallilie gelebt, aber nun arbeite ich für den Zimmermannsmeister Martin Bellecote, hier in der Stadt. Heute kam ich ins Kloster, um meinen alten Großonkel im Hospital zu besuchen, was der Bruder Krankenpfleger bezeugen kann. Und da ich schon mal in der Abtei war, wollte ich auch hier vorbeischauen. Aldith und Aelfric füllten gerade ihre Teller. Sie forderten mich auf, mit ihnen zu essen, und das ließ ich mir nicht zweimal sagen.«
»Es war genug da«, fügte Aldith hinzu. »Der Abt hat einen sehr großzügigen Koch.«
»Ihr drei habt also zusammen in der Küche gegessen -und zwischendurch in der kleinen Schüssel gerührt?« Der Wachtmeister unterbrach sich und betrachtete zum zweitenmal die Scherben auf dem Wohnzimmertisch. »Hier saßen Master Bonel und seine Frau ...« Nein, er war kein dummer Mann, er konnte zählen, und es war ihm längst aufgefallen, daß eine Person fehlte. Vielleicht mutmaßte er, daß sie sich alle verschworen hatten, um jenen geheimnisvollen Tischgenossen totzuschweigen. »Hier liegen drei Gedecke. Wer war die dritte Person, die an dieser Mahlzeit teilgenommen hat?«
Jetzt gab es kein Entrinnen mehr, irgend jemand mußte antworten. Richildis versuchte zu retten, was noch zu retten war. Ihr Tonfall deutete an, daß sie die Erwähnung einer solchen Belanglosigkeit erstaunlich fand, und sie entgegnete in scheinbar aufrichtiger Bereitwilligkeit: »Mein Sohn. Aber er ist schon gegangen, bevor mein Mann krank wurde.«
»Ohne seinen Teller leerzuessen! Falls dies hier sein Platz war ...«
»Ja, er hat hier gesessen«, bestätigte sie würdevoll, ohne eine weitere Erklärung abzugeben.
»Ich glaube, Mistreß«, sagte der Wachtmeister mit einem geduldigen Lächeln, »du setzt dich besser hierher und erzählst mir etwas mehr über deinen Sohn. Wie ich von Prior Robert erfahren habe, wollte dein Mann sein Haus und sein Land der Abtei schenken. Dafür sollte er das Recht erhalten, hier seinen Lebensabend zu verbringen, zusammen mit dir und zwei Dienstboten. Nach allem, was hier vorgefallen ist, sind diese Vereinbarungen fragwürdig, da noch nichts besiegelt wurde.
Für einen potentiellen Erben des Landguts Mallilie muß es höchst angenehm sein, daß dein Mann das Zeitliche gesegnet hat, bevor die Schenkung rechtskräftig wurde. Aber wenn aus deiner Ehe mit Master Bonel ein Sohn hervorgegangen wäre, hätte er seine Zustimmung geben müssen, bevor eine solche Vereinbarung getroffen werden konnte. Bitte, löse dieses Rätsel - wie hat es dein Mann geschafft, seinen Sohn zu enterben?«
Offensichtlich wollte sie nicht mehr als unbedingt nötig verraten. Doch sie war klug genug, um zu erkennen, daß sie mit hartnäckiger Verschwiegenheit nur Mißtrauen erregen würde. »Edwin stammt aus meiner ersten Ehe«, teilte sie dem Wachtmeister resigniert mit. »Gervase hatte ihm gegenüber keine väterlichen Verpflichtungen. Er konnte über seine Ländereien verfügen, wie es ihm beliebte.« Dazu gab es noch mehr zu sagen, und wenn sie zugelassen hätte, daß man es auf andere Weise herausfand, hätte es ihre Lage nur verschlimmert. »Ursprünglich hatte er Edwin als seinen Erben eingesetzt, aber nichts konnte ihn daran hindern, seine Entscheidung umzustoßen.«
»Aha! Also wäre dein Sohn durch eine besiegelte Übertragungsurkunde enterbt worden und hätte viel zu gewinnen, wenn die Vereinbarung nun für null und nichtig erklärt würde. Er hatte nicht viel Zeit. Es wird nur noch ein paar Tage oder Wochen dauern, bis ein neuer Abt ernannt wird ..., mißversteh mich nicht, ich habe deinen Sohn keineswegs beschuldigt. Jedes Menschen Tod könnte einem anderen gelegen kommen, vielleicht sogar mehreren. Es wäre also durchaus denkbar, daß das Ableben deines Gemahls vielen Personen Vorteile bringt. Doch du wirst zugeben müssen, daß dein Sohn zu dieser Gruppe von Leuten gehört.«
Sie biß sich auf die zitternde Unterlippe, rang sekundenlang nach Fassung und erwiderte tapfer: »Das bestreite ich nicht.
Aber ich weiß, daß mein Sohn, sosehr er sich auch gewünscht haben mag, Mallilie zu erben, niemals zu solchen Mitteln gegriffen hätte, um sein Ziel zu erreichen. Er erlernt ein Handwerk, und er ist fest entschlossen, unabhängig zu bleiben und sich seine Zukunft aus eigenen Kräften aufzubauen.«
»Immerhin war er heute hier. Und es sieht so aus, als hätte er das
Weitere Kostenlose Bücher