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Das Mönchskraut

Das Mönchskraut

Titel: Das Mönchskraut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ellis Peters
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einer der kleinen Türen in der Stadtmauer, die in Friedenszeiten offenstanden. Bald hatte er die steile Uferböschung erreicht, nicht weit vom Weingarten des Abtes.
    Hier hatten mehrere Geschäftsleute aus Shrewsbury, die große Lagerräume brauchten, Schuppen errichtet, und hier stand auch der Verschlag, in dem Martin Bellecote sein Holz aufbewahrte. Dies war ein alter Zufluchtsort, den die beiden Jungen stets aufsuchten, wenn sie in Schwierigkeiten steckten.
    Und hier würde sich auch Edwin verkrochen haben, wenn er – nein, nicht, wenn er Master Bonel getötet hatte, das war einfach lächerlich -, aber wenn man ihn zurückgewiesen und zur Verzweiflung getrieben und in helle Wut gebracht hatte. In mörderische Wut, das schon - aber Edwin würde sich niemals zu einem Mord hinreißen lassen. Dazu wäre er einfach nicht fähig.
    Edwy rannte weiter, in der sicheren Gewißheit, daß ihm niemand folgte, und stürmte durch die schmale Tür in den Schuppen seines Vaters. In der nächsten Sekunde stolperte er über den Fuß eines zornigen, tränenüberströmten, todunglücklichen Edwin und fiel der Länge nach hin. Kaum daß er wieder aufgesprungen war, verpaßte ihm Edwin - vielleicht, weil sein Blick von Tränen verschleiert wurde - einen kräftigen Faustschlag, und Edwy schlug erbost zurück. Wann immer schwere Zeiten anbrachen, prügelten sie sich erst einmal. Das hatte nichts weiter zu bedeuten - außer daß sie gewappnet und auf der Hut waren. Und wer immer sich nachher mit ihnen einließ, mußte höllisch aufpassen und damit rechnen, daß sich die soeben erprobte Kampfkraft der beiden nun in schöner Eintracht gegen ihn richtete. Nach wenigen Minuten hatte Edwy dem verwirrten, ungläubigen und schließlich überzeugten und bestürzten Edwin die Neuigkeiten eingebleut. Sie setzten sich auf den Boden, eng aneinander-geschmiegt, und begannen Pläne zu machen.
    Eine Stunde vor der Abendandacht erschien Aelfric im Kräutergarten. Cadfael war erst eine halbe Stunde zuvor in seine Einsamkeit zurückgekehrt, nachdem er zugesehen hatte, wie die Leiche gesäubert, anständig hergerichtet und in die Totenkapelle getragen worden war. Endlich hatte man die verzweifelten Bewohner des Trauerhauses sich selbst und ihrem Kummer überlassen. Meurig war in die Zimmermannswerkstatt zurückgekehrt, um den Bellecotes ausführlich zu erzählen, was vorgefallen war, und um sie zu trösten oder zu warnen. Cadfael nahm an, daß der Wachtmeister den jungen Edwin inzwischen schon verhaftet hatte. Edwin ... Wie hieß der Junge sonst noch? Großer Gott - er hatte den Namen des Mannes vergessen, den Richildis geheiratet hatte, und Bellecote war nur ihr Schwiegersohn.
    »Mistreß Bonel möchte unter vier Augen mit dir sprechen«, sagte Aelfric ernsthaft. »Sie bittet um deinen Besuch, und sie hofft um eurer alten Freundschaft willen, daß du jetzt zu ihr hältst.«
    Cadfael war nicht überrascht, und er wußte, daß er sich nun auf gefährlichen Boden begeben würde, auch nach über vierzig Jahren. Er hätte sich wesentlich besser gefühlt, wenn der beklagenswerte Tod ihres Gatten mit keinerlei Rätsel verbunden und ihr Sohn nicht in Gefahr gewesen wäre, wenn ihn ihre Zukunft nichts anginge. Aber die Tatsachen ließen sich nicht ändern. In seiner Jugend, einem wesentlichen Teil jener Erinnerungen, die ihn zu dem Mann geformt hatten, der er jetzt war, hatte er in ihrer Schuld gestanden. Und jetzt, wo sie seine Hilfe brauchte, blieb ihm nichts anderes übrig, als seinen einstigen Fehler wiedergutzumachen.
    »Ich komme«, antwortete er. »Geh voraus, mein Junge, in einer Viertelstunde bin ich bei deiner Herrin.«
    Richildis öffnete ihm selbst die Haustür, nachdem er angeklopft hatte. Weder Aelfric noch Aldith ließen sich blicken.
    Offenbar hatte sie veranlaßt, daß die beiden das wichtige Gespräch mit Cadfael nicht stören konnten. Der Wohnraum war ordentlich aufgeräumt, der große Klapptisch stand zusammengelegt in einer Ecke. Richildis setzte sich in den großen Stuhl ihres verstorbenen Mannes, und der Mönch nahm neben ihr auf einer Bank Platz. Es war fast dunkel im Zimmer, nur ein kleines Binsenlicht brannte und spiegelte sich in ihren dunklen, glänzenden Augen, die er mit jeder Minute deutlicher wiedererkannte.
    »Cadfael ...«, begann sie zögernd und fügte nach einer kurzen Pause hinzu: »Daß du es wirklich bist! Nachdem ich von deiner Heimkehr erfahren hatte, hörte ich nichts mehr von dir.
    Ich dachte, du wärst verheiratet und

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