Das Mönchskraut
›Meine Familie ist die Familie meiner Mutter, und an die halte ich mich‹, hatte Meurig gesagt. ›Mein Vater ist kein Waliser.‹ Es war nur natürlich, daß er mit seinen Verwandten Weihnachten feiern wollte.
»Hoffen wir, daß wir den Geburtstag unseres Herrn in Frieden und Freude begehen können!« bemerkte Cadfael - viel optimistischer gestimmt, seit das kleine Beweisstück gefunden war, das nun auf einem Regal in seinem Gartenschuppen lag.
»Amen, Bruder! Meine Familie und ich sind dir zutiefst verbunden, und wann immer du unsere Hilfe brauchst, kannst du auf uns zählen.«
Nachdem Martin Bellecote seiner Dankespflicht genügt hatte, kehrte er in seine Werkstatt zurück, und Cadfael ging mit Bruder Mark zum Abendessen - wobei ihnen die Erfüllung einer anderen Pflicht noch bevorstand.
»Morgen früh laufe ich in die Stadt«, wisperte Bruder Mark in Cadfaels Ohr, als sie nach der Mahlzeit in einer Ecke des Kapitelsaals saßen und Bruder Francis' langatmige Lateinlesung über sich ergehen ließen. »Bei der Prim werde ich fehlen - aber was macht es schon aus, wenn ich mir eine Strafe einhandle?«
»Das wirst du nicht tun!« flüsterte Bruder Cadfael energisch zurück. »Du wartest bis nach dem Mittagessen. Dann darfst du deinen eigenen Interessen nachgehen, und es ist ein wichtiges und legitimes Werk, das du vollbringen mußt. Aber ich will nicht, daß du deswegen gegen die Klosterregeln verstößt.«
»Was du natürlich niemals tun würdest!« meinte Mark, und sein schüchternes Gesicht verzog sich zu einem Grinsen, das Cadfael an Edwin oder Edwy erinnerte.
»Nur, wenn's um Leben und Tod geht. Und für meine Missetaten bin ich allein verantwortlich. Du steckst nicht in meiner Haut und solltest meine Sünden nicht imitieren.
Außerdem ist es gleichgültig, ob du vor oder nach dem Essen in die Stadt gehst«, fügte Cadfael besänftigend hinzu. »Frag nach Hugh Beringar und sprich mit keinem anderen - denn ich habe nur zu ihm volles Vertrauen. Führ ihn zum Teich und zeig ihm, wo du die Phiole gefunden hast. Dann wird Edwin bald nach Hause kommen.«
Sie schmiedeten ihre Pläne vergeblich. Die Kapitelsitzung am nächsten Morgen machte alle Erfolge zunichte.
Bevor die Alltagsgeschäfte besprochen wurden, erhob sich Bruder Richard, der Subprior, und erklärte, er hätte eine dringliche Angelegenheit vorzubringen und müßte den Prior um Aufmerksamkeit bitten.
»Von unserer Schafhürde in der Nähe von Rhydycroesau bei Oswestry kam ein Bote zum Bruder Kellermeister. Laienbruder Barnabas hat Brustschmerzen und Fieber, und Bruder Simon muß sich allein um die Herde kümmern. Er bezweifelt, daß er den kranken Bruder erfolgreich behandeln kann, und läßt anfragen, ob wir ihm einen Helfer senden könnten.«
Prior Robert runzelte die Stirn. »Ich dachte mir schon immer, daß wir da draußen mehr Leute einsetzen sollten, nicht bloß zwei. Immerhin weiden zweihundert Schafe auf diesen abgeschiedenen Bergen. Aber wie konnte uns Bruder Simon einen Boten senden, wenn sein einziger Gefährte krank ist?«
»Nun, er nutzte den glücklichen Umstand, daß unser Verwalter derzeit die Verantwortung für das Landgut Mallilie trägt. Anscheinend liegt es nur wenige Meilen von Rhydycroesau entfernt. Bruder Simon ritt hinüber und bat, man möge uns verständigen - worauf sich sofort ein Reitknecht auf den Weg machte. Wenn wir Bruder Simon noch heute einen Helfer schicken, hätten wir keine Zeit verloren.«
Als Mallilie erwähnt worden war, hatte Prior Robert die Ohren gespitzt. Auch Cadfael war aus seinen eigenen Gedanken aufgeschreckt, da dies offensichtlich mit den Problemen zusammenhing, die ihn beschäftigten. Mallilie war also nur wenige Meilen von den Schafhürden der Abtei bei Oswestry entfernt. Er hatte nie bedacht, daß die Lage des Gutshauses bedeutsam werden könnte, und diese Erleuchtung entfesselte eine Flut neuer Ideen.
»Natürlich müssen wir das tun«, sagte Robert, und es war ihm beinahe anzusehen, wie er überlegte, daß man den Kräuterfachmann und Apotheker des Klosters mit dieser Aufgabe betrauen müßte. Dadurch würde man ihn nicht nur aus Witwe Bonels gefährlicher Nähe entfernen, sondern auch verhindern, daß er sich weiterhin mit den tragischen Ereignissen befaßte, die sie zur Witwe gemacht hatten. Der Prior wandte den imposanten, silbergrauen Kopf und blickte geradewegs in Bruder Cadfaels Augen, was er normalerweise lieber vermied. Die gleichen Spekulationen hatte auch Cadfael angestellt,
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