Das Mönchskraut
kann weder das eine noch das andere getan haben. Vielleicht hat er sich, wie der Wachtmeister glaubt, kurz in der Küche aufgehalten. Aber er rannte bestimmt nicht den Uferweg entlang, bevor er sich zur Brücke wandte - sonst hätte Aelfric ihn eingeholt. Nein - er wäre sogar vor Edwin bei der Brücke gewesen, oder sie wären sich an der Klosterpforte begegnet.
Später hätte Edwin keine Gelegenheit mehr gefunden. Er fühlte sich elend und verkroch sich im Holzschuppen seines Schwagers, bis Edwy ihn aufstöberte, und von da an blieben die beiden zusammen, bis sie zu mir kamen. Mark - dieses Fläschchen beweist, daß Edwin ebenso unschuldig ist wie du oder ich.«
»Aber es verrät uns nicht, wer der Täter ist«, erwiderte Mark.
»Nein ...« Cadfael runzelte die Stirn. »Wenn es tatsächlich aus dem Wohnzimmerfenster geworfen wurde, muß das lange nach dem Mord geschehen sein - denn ich bezweifle, daß irgend jemand allein in diesem Raum war, bevor der Wachtmeister gekommen und gegangen ist. Und wenn der Mörder das schlecht verschlossene Fläschchen die ganze Zeit in der Tasche hatte, muß seine Kleidung mit Öl befleckt sein.
Wahrscheinlich hat er versucht, diese Spuren zu beseitigen, aber solche Ölflecken lassen sich nicht so leicht herauswaschen. Und wer kann es sich schon leisten, Kleidungsstücke wegzuwerfen? Also müßten die Ölspuren immer noch zu finden sein.«
»Und wenn es jemand war, der sich an jenem Tag gar nicht in Master Bonels Haus aufhielt ... Du hast doch mal überlegt, ob nicht der Koch oder seine Gehilfen ...«
»Ich behaupte nicht, daß das unmöglich wäre. Aber ist es wahrscheinlich? Wäre der Täter den Weg entlanggegangen, als er sich des Fläschchens entledigte, hätte er es weit hinausgeworfen, in die Mitte des Teichs. Selbst wenn es nicht gesunken wäre - und er hätte genügend Zeit gehabt, um dafür zu sorgen -, wäre es von der Strömung erfaßt, zum Bach und dann in den Fluß getrieben worden. Aber wie du festgestellt hast, ist es dicht am Ufer ins Wasser gefallen.«
»Was machen wir jetzt?« fragte Bruder Mark tatendurstig.
»Wir gehen in die Kirche, sonst kommen wir zu spät zur Abendandacht. Und morgen besuchst du Hugh Beringar und zeigst ihm dieses Beweisstück.«
Wie üblich erschienen nur wenige weltliche Gläubige zur Abendandacht, aber diesmal war Martin Bellecote gekommen, um erst Gott und dann Cadfael für die Heimkehr seines Sohnes zu danken. Nach dem Gottesdienst wartete er im Kreuzgang, bis die Mönche die Kirche verlassen hatten und eilte Cadfael am Südtor entgegen.
»O Bruder, möge es dir der Herr lohnen, was du für uns getan hast! Wir sind dir zu tiefstem Dank verpflichtet, weil der Junge nach Hause gekommen ist, wenn auch wie ein begossener Pudel, und weil er nicht im Kerker des Schlosses schmachten muß.«
»Mein Verdienst ist nur gering, denn ich hätte ihn nicht befreien können. Es war Hugh Beringar, der ihn laufen ließ.
Und glaub mir - was immer die Zukunft bringen mag, du kannst auf Beringars Gerechtigkeitssinn bauen. Wenn du ihn siehst, sag ihm immer nur die Wahrheit.«
Bellecote lächelte schmerzlich. »Ja, die Wahrheit - aber nicht die ganze Wahrheit, obwohl er so großzügig zu meinem Sohn war. Solange der andere nicht in Sicherheit ist, werde ich sein Versteck geheimhalten. Nur dich will ich einweihen, Bruder ...«
»Nein«, fiel Cadfael ihm rasch ins Wort, »sag mir nichts. Ich hoffe, er kann seinen Schlupfwinkel bald verlassen. Leider ist es noch nicht soweit. Wie geht es deiner Familie - vor allem Edwy? Hat er sein Abenteuer gut überstanden?«
»Und ob! Ohne die blauen Flecken hätte es ihm nur halb soviel Spaß gemacht. Er hat sich das alles ganz allein ausgedacht. Aber zur Zeit hält er es für angebracht, die Hörner ein bißchen einzuziehen. Er war noch nie so fügsam wie jetzt, und ich kann nicht behaupten, daß mir das mißfällt. Sein Pflichteifer hat sich gewaltig gesteigert. Nicht daß wir vor Weihnachten viel zu tun hätten, aber nachdem Edwin verschwunden ist und Meurig die Feiertage bei seinen Verwandten verbringt, sind wir nur zu zweit, und ich kann dem Spitzbuben genug Arbeit aufhalsen.«
»Besucht Meurig seine Verwandten regelmäßig?«
»Ja, immer zu Weihnachten und zu Ostern. Sein Onkel und seine Vettern leben oben im Grenzland. Am Jahresende kommt er zurück. Meurig nimmt seine Familienpflichten sehr ernst.«
Ja, diesen Eindruck hatte Cadfael schon gewonnen, als er dem jungen Mann zum erstenmal begegnet war.
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