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Das Mönchskraut

Das Mönchskraut

Titel: Das Mönchskraut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ellis Peters
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Richter auf ihrer Bank Platz genommen hatten.
    Der Kläger trat vor, begleitet von seinen zwei Gewährsmännern. In einem dieser beiden erkannte Cadfael Cynfrith, den vermutlich älteren Bruder Owains. Die Familienähnlichkeit fiel ihm sofort ins Auge. Hywel Fychan, der Beklagte, war ein schlanker, dunkelhaariger Mann mit kampflustiger Miene, der seine eigenen Zeugen hinter seinem Rücken versammelt hatte.
    Der Vorsitzende Richter verkündete das Urteil. Man hatte die zwei strittigen Grundstücke angesehen, Messungen vorgenommen und mit alten Urkunden verglichen. Auf diese Weise hatte man festgestellt, daß Hywel Fychan tatsächlich den Grenzstein versetzt hatte, um seinem Nachbarn ein paar Yards abzuluchsen. Doch es war ebenso ruchbar geworden, daß Owain ap Rhys - viel diskreter und zugegebenermaßen, erst nach der Tat des Beklagten - einen ganzen Zaun um einen Yard verschoben und sich für seinen Verlust entschädigt hatte.
    Deshalb bestimmte das Gericht, daß sowohl der Grenzstein als auch der Zaun wieder an ihre ursprünglichen Standorte gebracht werden mußten, und belegte beide Parteien mit einer geringfügigen Geldstrafe. Wie erwartet, akzeptierten Owain und Hywel das Urteil und schüttelten sich freundschaftlich die Hände. Wahrscheinlich hatten sie angenommen, daß sie viel mehr bezahlen müßten, und würden später die überschüssige Summe in trauter Eintracht vertrinken. Im nächsten Jahr würde das Spiel von neuem beginnen. Cadfael kannte sich aus mit diesen nationalen Gebräuchen. Nun wurden zwei weitere, ähnlich gelagerte Fälle abgeschlossen. Der Richter verkündete die Urteile. Das erste fand bei beiden Parteien Zustimmung, während das zweite den erbitterten Zorn des Verlierers weckte, aber dennoch hingenommen wurde. Danach beanspruchte eine Witwe ein Stück Land, das ihr die Verwandtschaft des verstorbenen Gatten nicht gönnte, und gewann die Verhandlung aufgrund der Aussagen von nicht weniger als sieben Nachbarn. Der Vormittag schleppte sich dahin. Cadfael blickte immer wieder über die Schulter zur Tür und begann sich zu fragen, ob er sich geirrt und die Zeichen mißdeutet hatte.
    Dann müßte er noch einmal von vorn anfangen, und Edwin schwebte in ernster Gefahr. Seine letzte Hoffnung war Hugh Beringar, und dessen Herrschaft würde zu Ende gehen, wenn Gilbert nach dem königlichen Weihnachtsfest heimkehrte.
    Die dankbare Witwe zog sich gerade mit ihren Zeugen zurück, als die Kirchentür weit geöffnet wurde. Das Tageslicht fiel auf die dichtgedrängte Menge, während mehrere Leute eintraten. Cadfael drehte sich um, ebenso wie die halbe Versammlung, und sah, wie Meurig im Mittelgang stehenblieb.
    Hinter ihm postierten sich sieben Männer mit ernsten Mienen.
    Wie Cadfael bemerkte, trug Meurig dieselbe Kleidung, in der er ihn immer gesehen hatte - ein schlichtes Wams und lange Hosen. Zweifellos war dies sein bester Staat, in dem er Gerichtssitzungen und das Hospital in der Abtei besuchte. Die einzigen anderen Kleider, die er besaß, würde er vermutlich anziehen, wenn er arbeitete. Ein Leinenbeutel hing an Lederschnüren von seinem Gürtel herab. Das Säckchen war Cadfael bereits im Hospital aufgefallen, wo Meurig - gewiß nicht aus Gewinnsucht, sondern aus reiner Freundlichkeit - den alten Rhys eingeölt hatte, um dessen Schmerzen zu lindern. Solche Beutel kosteten Geld und überdauerten viele Jahre. Es war unwahrscheinlich, daß Meurig noch einen zweiten hatte.
    Er sah keineswegs ungewöhnlich aus, der kräftig gebaute, schwarzhaarige junge Bursche, und er hätte jedermanns Sohn oder Bruder sein können. Aber es war ungewöhnlich, wie er jetzt im Mittelgang der Kirche stand, breitbeinig, die Arme leicht erhoben, als hielte er in jeder Hand eine Waffe, obwohl er sicher nichts weiter bei sich hatte als ein Jagdmesser - an diesem Ort, der gleichzeitig Kirche und Gerichtsaal, und deshalb doppelt heilig war. Er war glattrasiert und sauber gewaschen, und das gedämpfte Licht im Kirchenschiff zeichnete reliefartig die Linien seines kantigen Gesichtes nach, die Umrisse eines Schädels, der kaum von Fleisch bedeckt war. Seine Augen glühten wie flackernde Lampen in tiefen Höhlen. Er wirkte mitleiderregend jung und uralt - und so hungrig, als wäre er dem Tode nah.
    »Das Gericht möge mir erlauben«, seine Stimme klang hoch und klar, »ein Anliegen vorzutragen, das nicht warten kann.«
    »Wir wollten die Sitzung gerade schließen«, entgegnete der Vorsitzende Richter sanft. »Aber wir sind hier, um

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