Das Mörderschiff
draußen ist gleich Null. Und wenn ich Null sage, meine ich Null. Jetzt werden wir mal blind nach Instrumenten steuern. Sie können genausogut das Licht im Steuerhaus anmachen. Auf die Art und Weise kann man die Karten besser lesen und das Echolot und den Kompaß erkennen. Und auf Radar hat es kaum einen Einfluß.« Als das Licht anging, starrte er mich an. »Was, zum Teufel, soll denn diese schreckliche Verkleidung?«
»Das ist ein Morgenrock«, erklärte ich. »Ich besitze drei Anzüge, und alle drei sind tropfnaß und verdorben. Hatten Sie Glück, Sir?« Gerade war Onkel Arthur ins Steuerhaus gekommen.
»Einer von ihnen ist ohnmächtig geworden.« Onkel Arthur schien nicht sehr zufrieden mit sich zu sein. »Der andere stöhnte so laut, daß ich mich nicht verständlich machen konnte. Nun, Calvert, erzählen Sie mal.«
»Was soll ich denn erzählen, Sir? Ich wollte gerade zu Bett gehen. Ich habe Ihnen doch schon alles erzählt.«
»Ein halbes Dutzend kurzer Sätze, die ich bei dem verdammten Geschrei des Burschen nicht verstehen konnte«, sagte er kalt. »Die ganze Geschichte, Calvert.«
»Ich fühle mich schwach, Sir.«
»Ich kenne kaum einen Zeitpunkt, an dem Sie sich nicht schwach gefühlt haben, Calvert. Sie wissen ja schließlich, wo der Whisky steht.«
Hutchinson hustete respektvoll. »Würden der Herr Admiral vielleicht gestatten …«
»Aber natürlich, natürlich«, sagte Onkel Arthur in einem ganz anderen Ton. »Natürlich, mein Junge.« Der Junge war fast einen halben Meter größer als Onkel Arthur. »Und wenn Sie schon einmal dabei sind, Calvert, bringen Sie mir auch einen mit. Aber keinen doppelten.« Manchmal konnte Onkel Arthur wirklich recht widerlich sein.
Fünf Minuten später sagte ich gute Nacht. Onkel Arthur war nicht ganz zufrieden. Ich hatte das Gefühl, er glaubte, daß ich die spannenden und aufregenden Momente in meiner Geschichte fortgelassen hatte. Aber ich war so müde wie der alte Sensenmann nach Hiroshima. Ich sah noch zu Charlotte Skouras hinein, sie schlief wie eine Tote. Einen Augenblick dachte ich an den Apotheker drüben in Torbay; er war völlig verschlafen gewesen, kurzsichtig wie eine Eule und fast achtzig. Vielleicht hatte er einen Fehler gemacht. Schließlich konnte er auf dem Gebiet der Herstellung von Schlafmitteln hier oben in den Hebriden kaum über eine größere Erfahrung verfügen.
Aber ich hatte dem alten Burschen unrecht getan. Nach unserer Ankunft in Craigmores sogenanntem Hafen, eine Ankunft, die mir wie ein Wunder erschien, hatte es nicht länger als eine Minute gedauert, Charlotte halbwegs wachzurütteln. Ich sagte ihr, sie solle sich anziehen – ein beabsichtigter Trick von mir, denn sie sollte nicht erfahren, daß ich wußte, daß sie noch immer angezogen war – und an Land kommen. Fünfzehn Minuten später waren wir alle in Hutchinsons Haus, und nach weiteren fünfzehn Minuten, nachdem Onkel Arthur und ich die Brüche der Gefangenen notdürftig geschient und die beiden in einem Raum untergebracht hatten, der lediglich ein Oberlicht besaß, durch das sich nicht einmal ein Seiltrickartist hätte hindurchzwängen können, lag ich in einem anderen winzigen Raum im Bett. Dieses Zimmer mußte offensichtlich dem Präsidenten des Auswahlkomitees der Craigmore Kunstgalerie gehören, denn die besten Ausstellungsstücke hatte er für sich selbst aufbewahrt. Ich war kurz vor dem Einschlafen und dachte daran, falls Immobilienmakler jemals Doktorhüte erhielten, daß ohne Zweifel derjenige den ersten bekäme, dem es gelingen würde, ein Haus auf den Hebriden in der Nähe des Häutungsschuppens zu verkaufen – als sich die Tür öffnete und das Licht angemacht wurde. Erschöpft öffnete ich die Augen ein wenig und sah, wie Charlotte Skouras leise die Tür hinter sich schloß.
»Gehen Sie fort«, sagte ich, »ich schlafe.«
»Kann ich hereinkommen?« fragte sie. Sie betrachtete die Kunstgalerie, und ihre Lippen verzogen sich zu einem leisen Lächeln. »An Ihrer Stelle hätte ich das Licht angelassen.«
»Sie müssen sich erst mal die hinter dem Schrank ansehen«, prahlte ich. Langsam und soweit ich dazu in der Lage war, öffnete ich meine Augen ganz. »Es tut mir leid, ich bin müde. Was kann ich für Sie tun? Es ist keine Spezialität von mir, mitten in der Nacht Damenbesuch zu empfangen.«
»Onkel Arthur ist nebenan. Wenn Sie wollen, können Sie jederzeit um Hilfe rufen.« Sie blickte auf einen von Motten zerfressenen Sessel. »Kann ich mich
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