Das Mörderschiff
Whiskyflasche und Stablampe, dann Harry, den ich, das Gewehr in den Händen, vor mir hertrieb. Als wir wieder in der Halle waren, verschloß ich die Tür mit dem Dietrich, mit dem ich sie geöffnet hatte.
Es hatte aufgehört zu regnen, und auch der Wind hatte nachgelassen. Dafür war der Nebel dichter denn je, und es war bitterkalt geworden. Der Altweibersommer des Hochlandes war auf Hochtouren! Wir gingen durch den Hof und kamen zu der Stelle, wo ich das Bajonett am Klippenende niedergelegt hatte. Ich benutzte jetzt die Lampe ganz offen, nachdem ich das Heftpflaster abgezogen hatte. Aber wir sprachen leise. Der Bursche, der auf den Zinnen Wache hielt, hätte uns selbst mit den besten Nachtgläsern nicht auf eine Entfernung von fünf Metern erkennen können. Geräusch hingegen benimmt sich bei schwerem Nebel äußerst unterschiedlich. Es kann gedämpft klingen, es kann verzerrt werden, es kann aber auch bei manchen Gelegenheiten mit überraschender Klarheit vernommen werden. Und ich meinte, daß es zu spät am Tag war, um hier irgend etwas zu riskieren.
Ich fand das Bajonett und befahl Harry, sich vorläufig mit dem Gesicht nach unten ins Gras zu legen. Falls ich ihn stehen gelassen hätte, hätte er sich vielleicht versucht gefühlt, mich über die Klippe zu stoßen. Ich zertrampelte an verschiedenen Stellen das Gras, machte ein paar weitere Eindrücke mit dem Griff des Bajonetts und stieß die Klinge vom Bajonett des Torwächters so in den Boden, daß das Gewehr schräg nach oben stand. Dann legte ich Harrys Gewehr so hin, daß die blutverschmierte Bajonettspitze nicht den Boden berührte, damit das Blut nicht in das feuchte Gras tropfen konnte. Dann goß ich den größten Teil des Whiskys aus und stellte die Flasche, die etwa noch viertel voll war, in die Nähe der Bajonette. Zu Susan sagte ich: »Und was glauben Sie wohl, was hier passiert ist?«
»Das ist ganz klar. Die beiden waren betrunken, hatten einen Streit miteinander und stürzten in dem feuchten Gras über die Klippe.«
»Und was haben Sie gehört?«
»Oh, ich hörte, wie sich zwei Männer in der Halle anschrien. Ich ging zum Treppenabsatz und hörte beide laut brüllen. Der eine befahl Harry, auf seinen Posten zurückzugehen, Harry aber sagte, er dächte nicht daran, er würde es jetzt sofort regeln. Ich werde sagen, daß beide betrunken waren und daß ich nicht imstande bin, die Ausdrücke zu wiederholen, die sie benutzten. Das letzte, was ich hörte, war, daß sie zusammen über den Hof liefen, wobei sie sich noch immer stritten.«
»So ist es brav, Mädchen. Genau das haben Sie gehört.«
Sie begleitete uns bis zu der Stelle, wo ich den Torwächter zurückgelassen hatte. Er atmete noch immer. Ich nahm den Strick, den ich noch immer besaß, und band Harry und ihn an den Hüften zusammen, wobei der eine links, der andere rechts zu gehen hatte. Das Ende des Strickes hielt ich in der Hand. Nachdem ihre Arme hinter dem Rücken zusammengebunden waren, verfügten sie über wenig Balance und ein geringes Haltevermögen für den steilen steinigen Weg zum Landungssteg. Falls einer von ihnen ausrutschte oder stolperte, konnte ich ihn vielleicht durch einen scharfen Ruck in Sicherheit bringen. Auf keinen Fall war ich bereit, wie ein alpiner Kletterer den Strick zusätzlich um meine eigenen Hüften zu binden. Falls sie versuchen sollten, in die Dunkelheit hinauszulaufen, dann müßten sie es schon ohne mich tun.
Ich sagte: »Ich danke Ihnen, Susan, Sie haben mir sehr geholfen. Nehmen Sie heute nacht keine Schlaftabletten mehr. Es würde sehr eigenartig aussehen, wenn Sie morgen mittag noch immer schliefen.«
»Ich wünschte, es wäre schon übermorgen mittag. Sie können sich auf mich verlassen, Mr. Calvert. Jetzt geht doch wirklich alles in Ordnung?«
»Selbstverständlich.«
Nach einer Pause sagte sie: »Sie hätten diese beiden hier über die Klippe stoßen können, wenn Sie gewollt hätten, nicht wahr? Aber das haben Sie nicht getan. Sie hätten Harrys Arm ritzen können, statt dessen nahmen Sie Ihren eigenen. Es tut mir leid, was ich Ihnen gesagt habe, Mr. Calvert. Daß Sie schrecklich und furchtbar seien. Sie tun nur das, was Sie müssen.« Nach einer weiteren Pause: »Ich glaube, Sie sind eigentlich ganz großartig.«
»Zum Schluß sagen das immer alle«, erwiderte ich, aber ich sprach zu mir selbst, sie war bereits im Nebel verschwunden. Ich wünschte nur, daß ich mich ihrer Meinung hätte anschließen können. Ich fühlte mich ganz und gar
Weitere Kostenlose Bücher