Das Mörderschiff
die Polizei auf sie gehetzt? Wenn so viele kleine Schiffe in derselben Gegend vermißt werden?«
»Sie haben zwei dieser Schiffe fünfzig oder noch mehr Seemeilen weit gesegelt oder geschleppt, ehe sie sie auf Felsen auflaufen ließen. Ein anderes Boot konnte irgendwo verschwunden sein. Das vierte segelte von Torbay ab und war verschollen. Aber das Verschwinden eines einzigen Bootes ist nicht genug, um Verdacht zu erregen.«
»Das stimmt. Ich weiß, daß es stimmen muß.« Sie schüttelte den Kopf, als ob sie trotz allem nicht glauben konnte, daß es sich um die Wahrheit handelte. »Es paßt alles so gut. Es erklärt so vieles. Aber … aber was nützt es schon, zu wissen, daß irgend etwas ganz und gar nicht stimmt und daß dieses Etwas sich in Loch Houron befindet? Sie werden sich aus dem Staub machen.«
»Woher wissen Sie, daß unser Verdacht sich auf Loch Houron richtet?«
»Onkel Arthur hat es mir vergangene Nacht im Steuerhaus erzählt.« Ihre Stimme klang überrascht. »Erinnern Sie sich nicht mehr?«
Jetzt fiel es mir wieder ein. Ich war halb tot vor Schlaflosigkeit. Eine dumme Bemerkung, vielleicht sogar eine verräterische. Ich war nur froh, daß Onkel Arthur sie nicht gehört hatte.
»Calvert hat den Höhepunkt seiner Kräfte überschritten«, sagte ich. »Mein Gedächtnis läßt mich im Stich. Natürlich werden sie sich aus dem Staub machen. Aber noch nicht innerhalb der nächsten achtundvierzig Stunden. Sie werden sich einbilden, daß sie viel Zeit haben. Es ist noch keine acht Stunden her, seit wir Polizeimeister MacDonald befohlen haben, ihnen mitzuteilen, daß wir zum Festland gefahren sind, um Hilfe zu holen.«
»Ich verstehe«, sagte sie beklommen. »Und was haben Sie heute nacht in Dubh Sgeir gemacht, Philip?«
»Nicht viel, aber genug.« Eine weitere kleine Notlüge. »Genug, um meine letzten Verdachtsmomente zu bestätigen. Ich schwamm an Land, zu dem kleinen künstlichen Hafen, und öffnete die Tür des Bootshauses. Es ist ein äußerst interessantes Bootshaus. Es ist innen nicht nur dreimal so groß, wie es von außen aussieht, sondern auch noch bis an die Decke mit Tauchgeräten vollgestopft.«
»Tauchgeräte?«
»Um Himmels willen, Sie stellen sich beinah so dumm an wie ich. Wie, glauben Sie, kann man die Beute aus den gesunkenen Schiffen bergen? Sie benutzen ein Tauchboot, das sonst im Bootshaus von Dubh Sgeir untergebracht ist.«
»Ist das … Ist das alles, was Sie herausgefunden haben?«
»Es gibt nichts weiter herauszufinden. Ich hatte mir vorgenommen, mich etwas im Schloß umzusehen – vom Bootshaus führt hinten eine steile Treppe bis zur Klippe hinauf –, aber etwa auf dreiviertel Höhe saß ein Kerl mit einem Gewehr in der Hand. Ein Wachtposten. Er trank, war aber trotz allem auf dem Posten. Ich wäre noch nicht einmal auf 100 Meter an ihn herangekommen, ohne von ihm durchlöchert zu werden. Deshalb ging ich wieder fort.«
»Du lieber Gott«, murmelte sie, »wie entsetzlich. Das ist ja entsetzlich. Und Sie haben keinen Sender, wir sind von jeder Hilfe abgeschnitten. Was werden wir tun? Was werden Sie tun, Philip?«
»Ich werde in der kommenden Nacht mit der ›Firecrest‹ dort hinfahren. Ich habe unter der Sitzbank im Salon ein Maschinengewehr versteckt, und Onkel Arthur und Tim Hutchinson haben auch jeder ein Gewehr. Wir werden auf Erkundungsfahrt gehen. Ihre Zeit läuft ab, sie werden spätestens übermorgen versuchen abzuhauen. Die Türen des Bootshauses schließen nicht sehr fest, und falls kein Licht hindurchscheint, bedeutet das, daß sie mit ihrem Tauchen noch nicht fertig sind. Wir werden also warten, bis sie fertig sind, und dann erst hineingehen. Wir werden das Licht auf eine Entfernung von zwei Meilen sehen, wenn sie die Tür öffnen, um das Tauchboot hereinzulassen und die Beute, die sie in den anderen vier versenkten Schiffen gemacht haben, zu verladen. Während sie laden, wird selbstverständlich die Tür des Bootshauses geschlossen sein. Also werden wir durch die Tür durchstoßen, und zwar auf Deck der ›Firecrest‹. Die Türen sahen mir nicht zu stark aus. Überraschung ist alles. Wir werden sie schnappen, während sie gerade ein Nickerchen machen. Ein Maschinengewehr ist in einem so kleinen Raum eine äußerst gefährliche Waffe.«
»Sie werden Sie umbringen. Sie werden Sie umbringen!« Sie kam zu mir herüber und setzte sich mit aufgerissenen, erschreckten Augen auf die Bettkante. »Bitte Philip, bitte, bitte tun Sie es nicht. Ich sage
Weitere Kostenlose Bücher