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Das Mörderschiff

Das Mörderschiff

Titel: Das Mörderschiff Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alistair MacLean
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einzubilden.
    Innerhalb von wenigen Augenblicken war sie wieder zurück. In der Hand hielt sie einen Bilderrahmen, dessen Ausmaße etwa fünfzehn zu zwanzig Zentimeter betrugen. Sie gab das Bild Skouras und setzte sich schnell wieder in ihren Sessel. Diesmal war sie sehr vorsichtig mit ihren Ärmeln, ohne daß es irgend jemandem auffiel.
    »Meine Herren, hier sehen Sie meine Frau«, sagte Skouras. Er stand von seinem Sessel auf und zeigte eine Fotografie herum, die eine dunkeläugige, dunkelhaarige Frau mit lächelndem Gesicht zeigte, durch das ihre hohen slawischen Backenknochen betont wurden. »Das ist meine erste Frau, Anna. Wir waren dreißig Jahre verheiratet. Eine Ehe ist gar nicht so schlimm. Das hier ist Anna, meine Herren.«
    Wenn sich nur noch ein Gramm von menschlichem Anstand in mir befunden hätte, dann hätte ich ihn niederschlagen und auf ihm herumtrampeln müssen. Es ist unvorstellbar, daß ein Mann offen in Gesellschaft erklärt, daß er ein Bild seiner früheren Frau neben seinem Bett aufgestellt hat und dann noch seine jetzige Frau zwingt, die letzte und schlimmste Erniedrigung und Demütigung zu ertragen, indem sie dieses Bild herbeiholen muß. Das und die Blutergüsse, die durch die Taue zurückgeblieben waren, ließen einen daran zweifeln, ob Erschießen nicht noch zu gut für ihn wäre. Aber ich konnte es nicht tun. Ich konnte nichts in dieser Sache unternehmen. Der alte Tölpel sprach aus vollem Herzen und mit Tränen in den Augen. Wenn das geschauspielert war, dann war es die größte schauspielerische Leistung, die ich jemals gesehen hatte. Die Träne, die langsam aus seinem rechten Auge herabrann, wäre in jedem Jahr seit Bestehen des Films einen Oscar wert gewesen. Und wenn es nicht geschauspielert war, dann war es das Bild eines traurigen, einsamen Mannes, der nicht mehr jung war und für den Augenblick diese Welt vergessen hatte, der bekümmert das einzige in dieser Welt anstarrte, das er liebte, je geliebt hatte und immer lieben würde. Etwas, was ihm für immer genommen worden war.
    Hätte es dazu nicht noch das andere Bild gegeben, das Bild der bewegungslosen, stolzen, erniedrigten Charlotte Skouras, die starr ins Feuer blickte, hätte ich vielleicht selbst einen Kloß im Hals verspürt. Doch so war es für mich nicht schwer, meine Gefühle zu beherrschen. Ein Mann jedoch war dazu nicht in der Lage, und es war nicht Sympathie für Skouras, die ihn veranlaßte, sich zu äußern. MacCallum, der schottische Anwalt, erhob sich bleich vor Wut, murmelte mit belegter Stimme, daß er sich nicht gut fühle, wünschte gute Nacht und ging. Der bärtige Bankier heftete sich an seine Fersen. Skouras sah sie nicht fortgehen. Er kehrte schwerfällig zu seinem Sessel zurück und starrte vor sich hin; seine Augen blickten genauso ins Leere wie die seiner Frau. Wie sie schien auch er etwas in den Tiefen der Flammen zu erblicken. Das Bild lag jetzt, das Gesicht nach unten, auf seinen Knien. Er sah nicht einmal auf, als Kapitän Black hereinkam, um uns mitzuteilen, daß der Tender bereit war, uns zur ›Firecrest‹ zurückzubringen.
    Nachdem wir wieder auf unserem Boot angelegt waren, warteten wir, bis der Tender etwa den halben Weg zur ›Shangri-la‹ zurückgelegt hatte, schlossen dann die Tür zum Salon, lösten den festgeknöpften Teppich und rollten ihn zurück. Vorsichtig hob ich ein Stück Zeitungspapier auf, das auf dem Boden lag, und auf der dünnen Mehlschicht, die unter dem Papier ausgebreitet war, waren deutlich vier Fußabdrücke zu erkennen. Danach kontrollierten wir die beiden vorderen Kabinen, den Maschinenraum und die hintere Kabine. Die Seidenfäden, die wir vor unserer Abfahrt zur ›Shangri-la‹ mit großer Mühe angebracht hatten, waren alle zerrissen.
    Mindestens zwei Personen, den Fußabdrücken nach zu schließen, hatten die ›Firecrest‹ durchsucht. Ihnen hatte dafür wenigstens eine ganze ungestörte Stunde zur Verfügung gestanden, und daraufhin verwendeten Hunslett und ich ebenfalls eine ganze Stunde, um herauszufinden, warum sie da gewesen waren. Wir fanden nichts. Keinen Fingerzeig, nichts.
    »Nun«, sagte ich, »jetzt wissen wir endlich, warum sie so erpicht darauf waren, uns an Bord der ›Shangri-la‹ zu haben.«
    »Damit sie hier ungestört alles durchsuchen konnten? Das ist der Grund, warum der Tender nicht fertig war, er war hier.«
    »Was denn sonst?«
    »Da ist noch etwas anderes. Ich weiß nicht, aber da ist noch etwas anderes.«
    »Sag mir morgen früh

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