Das Mörderschiff
Bescheid. Wenn du um Mitternacht Onkel Arthur anrufst, dann bitte ihn, alle möglichen Informationen über die Leute auf der ›Shangri-la‹ zu sammeln. Und über den Arzt, der die verstorbene Lady Skouras behandelt hat. Ich möchte eine ganze Menge über die verstorbene Lady Skouras wissen.« Ich erzählte ihm, was ich alles wissen wollte. »In der Zwischenzeit laß uns das Boot zur Insel Garve bringen. Ich muß um halb vier wieder auf sein. Du kannst noch dein ganzes Leben lang schlafen.«
Ich hätte auf Hunslett hören sollen. Wieder hätte ich auf Hunslett hören sollen. Und wieder um Hunsletts willen. Aber damals wußte ich noch nicht, daß Hunslett wirklich sein ganzes Leben Zeit zum Schlafen haben würde.
V IERTES K APITEL
Mittwoch: fünf Uhr früh
bis zur Abenddämmerung
W ie es in der Sprache der dortigen Gegend heißt: Es war so schwarz wie die Weste des Herrschers der Unterwelt. Der Himmel war schwarz, die Wälder waren schwarz, und der eisig peitschende Regen machte jede Sicht unmöglich. Die einzige Möglichkeit, einen Baum zu erkennen, war die, direkt in ihn hineinzulaufen, die einzige Möglichkeit, eine Bodenmulde zu erkennen, war die, in sie hineinzufallen.
Als Hunslett mich um 3 Uhr 30 mit einer Tasse Tee weckte, erzählte er mir, daß Onkel Arthur, als er mit ihm gesprochen hatte – um diese Zeit schlief ich –, von der ganzen Sache nichts hielt, obwohl der Hubschrauber für mich organisiert worden war. Er empfand das Ganze als eine komplette Zeitverschwendung. Es war eine jener seltsamen Gelegenheiten, in denen ich mich in vollkommener Übereinstimmung mit Onkel Arthur befand, aber das war wirklich ganz selten der Fall.
Es sah so aus, als ob ich diesen verdammten Hubschrauber sowieso niemals finden würde. Ich hätte es nie für möglich gehalten, daß es so schwierig sein würde zur Nachtzeit, den Weg durch fünf Meilen bewaldeten Gebiets zu finden. Es war nicht so, daß ich gegen Flüsse oder rauschende Bergbäche, gegen Klippen, gefährliche Abgründe oder dichten Urwald zu kämpfen gehabt hätte. Torbay war eine leicht bewaldete und etwas hügelige Insel, und sie von einer Seite zur anderen zu durchqueren, wäre ein bequemer Sonntagnachmittags-Spaziergang gewesen. Ich war kein Achtzigjähriger, obwohl ich mich so fühlte, aber schließlich war dies auch kein Sonntagnachmittag.
Die Schwierigkeiten hatten schon in dem Augenblick begonnen, als ich an der Küste von Torbay gegenüber der Insel zu landen versucht hatte. Selbst bei hellem Tageslicht ist es eine halsbrecherische Sache, ein Schlauchboot über glitschige, von Seegras bedeckte Steine – einige von ihnen waren bis zu zwei Meter hoch – zum Ufer, das zwanzig nicht enden wollende Meter entfernt war, zu bringen. Ganz besonders, wenn man dabei noch gummibesohlte Schuhe trägt. In vollkommener Dunkelheit ist dies, möchte ich sagen, ein beinahe unfehlbarer Weg für jeden potentiellen Selbstmörder, seine Arbeit gründlich und zufriedenstellend zu Ende zu führen. Als ich zum drittenmal hinfiel, zerbrach meine Taschenlampe. Und nachdem ich mir einige weitere Schrammen und Beulen zugezogen hatte, ging es meinem am Handgelenk befestigten Kompaß genauso. Nur der Tiefenmesser blieb, wie nicht anders zu erwarten war, in Ordnung. Ein Tiefenmesser ist wirklich eine ganz prächtige Hilfe, wenn man jemanden in einem weglosen Wald zur Nachtzeit suchen muß.
Nachdem ich die Luft aus dem Boot abgelassen und es zusammen mit der Pumpe verstaut hatte, machte ich mich auf, den Küstenstrich, weit entfernt von dem Dorf auf Torbay, entlangzuwandern. Es war nur logisch, daß ich, wenn ich in derselben Richtung weiterging, endlich an der Sandbucht, die am entferntesten Ende der Insel lag, ankommen mußte, wo ich mein Zusammentreffen mit dem Hubschrauber verabredet hatte. Es war genauso logisch, daß ich, wenn die Linie der Bäume direkt herunter zum Ufer führte und dieses Ufer voll kleiner, dichtgesäter Buchten war und ich außerdem nicht sehen konnte, wohin ich trat, mit todsicherer Regelmäßigkeit ins Wasser fallen mußte. Nachdem ich zum drittenmal wieder herausgeklettert war, gab ich meinen Vorsatz auf und begann landeinwärts zu gehen. Der Grund war nicht etwa der, daß ich Angst davor hatte, naß zu werden – ich hatte es sinnlos gefunden, meinen Taucheranzug anzuziehen, weil ich ja durch einen Wald gehen und anschließend in einem Hubschrauber sitzen wollte. Deshalb hatte ich ihn an Bord gelassen und war nun bereits bis auf die Haut
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