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Das Möwennest (Het Meeuwennest) (German Edition)

Das Möwennest (Het Meeuwennest) (German Edition)

Titel: Das Möwennest (Het Meeuwennest) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Biesenbach
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Anschein nach - keine Zeit, dafür aber ein sehr genaues Ziel und das würde im schlimmsten Fall beide das Leben kosten.
    Der kleine Scheinwerfer vorn am Bug leuchtete schwach und warf kaum genügend Licht. Der dichte Regen verschluckte die schwachen Strahlen und machte eine Orientierung in der aufgewühlten See fast unmöglich. Lediglich die Sekunden, während denen besonders helle Blitze die Dunkelheit zerrissen, boten ihnen einen umfassenderen Blick auf die Umgebung, aber alles, was sie dann zu sehen bekamen, war tobendes, schäumendes, gefährlich aufbrausendes Wasser.
    Das Boot überquerte einen Wellenberg und schlitterte in eine Senke. Harry saß am Außenbordmotor und steuerte auf die nächste Welle zu. Es konnte nicht mehr weit sein.
    Sem saß ihm gegenüber und hielt das GPS Gerät. Der Rucksack mit den übrigen Sachen lag zusammen mit dem Seil zwischen ihnen.
    „Wir müssten gleich da sein“, brüllte Sem gegen den Sturm an, während Harry mit etwas mehr Gas versuchte den Scheitelpunkt der nächsten Woge zu erreichen.
    „Das ist komplett lebensmüde, Sem“, schrie er zurück, als er das Hindernis gemeistert hatte. „Bei dem Wellengang kommen wir nie und nimmer unter die Plattform. Das ist Selbstmord!“
    „Es gibt kein Zurück, Harry. Bei dem Wetter kann er uns nicht entwischen. Wenn wir es also zu ihm rein schaffen, dann sitzt er in der Falle.“
    „Du bist krank! Bevor wir auch nur einen Fuß in dieses Gebäude gesetzt haben, sind wir dreimal gestorben!“
    Das Boot schleuderte über den nächsten Wellenkamm. Und dann tauchte das Restaurant ganz plötzlich vor ihnen auf. Wie eine alte, düstere Bohrinsel ragte Het Meeuweennest vor ihnen in den Nachthimmel. Harry schluckte schwer. Im wütenden Gewitter wirkte das Gebäude noch größer und bedrohlicher als sonst. Im Wasser saßen hunderte Möwen, die sich vom Sturm ungerührt treiben ließen. Durch die Dunkelheit starrten die Tiere sie mit bösen Augen an.
    Die dem Meer zugewandten Seite der Konstruktion bot ein beeindruckendes Bild. Meterhohe Wellen brachen sich dort mit lautem Getöse an den Überresten der abgestürzten Terrasse. Die Gischt spritzte. Harry bekam es jetzt richtig mit der Angst zu tun. Es war der schiere Respekt vor den Naturgewalten, denen sie ausgesetzt waren. Automatisch drosselte er das Tempo des Motors. Knapp fünfzig Meter von der äußersten Strebe entfernt ließ er das Gas los. Das Boot schaukelte unruhig auf und ab.
    „Was ist los?“, zischte Sem wütend und ließ das GPS-Gerät sinken. Harry zeigte in die Richtung des Problems. Sein Gegenüber schaute sich um und war für einen Moment selbst beeindruckt. Als er sich schließlich wieder herumdrehte, zeigte er jedoch keine weiteren Gefühlsregungen. In der Dunkelheit konnte Harry die Gesichtszüge des Mannes ohnehin kaum erkennen. Harrys letzte Hoffnung darauf, dass er die Dummheit der ganzen Aktion eingesehen hatte, verflog mit Sems nächstem Satz
    „Worauf warten wir?“, fragte Sem ungeduldig. Harry atmete tief durch. 
    „Auf den richtigen Moment“, antwortete er dann so gefasst wie möglich und vermochte das Unbehagen in seiner Stimme doch nicht zu zügeln. „Wir haben nur eine Chance“, erklärte er weiter. „Es gibt nur noch einen Zugang. Die Seitenterrasse muss wohl vor kurzem abgestürzt sein, vielleicht sogar erst heute. Uns bleibt ein Korridor von maximal fünf Metern. Wenn wir in einer Wassersenke hinein fahren und abgetrieben werden, laufen wir Gefahr mit dem Boot aufzulaufen. Wenn wir einen Wellenberg erwischen schleudert es uns gegen die Konstruktion.“
    „Und wann ist dann der richtige Moment?“
    Harry spähte angestrengt an Sem vorbei. Der Scheinwerfer gab kaum genug Licht ab und der letzte Blitz lag mehrere Minuten zurück, dennoch reichte es gerade so.
    Eine riesige Welle krachte gegen die Überreste auf der Sandbank. Harry zählte die Sekunden bis zur nächsten großen Welle. Schließlich atmete er tief durch.
    Nur ein Versuch, Junge. Nur eine Chance. Herrjeh!
    „Jetzt!“, brüllte er und ließ den Motor aufheulen. Das Boot schoss durch eine Senke genau auf die Pfeiler zu. Sem krallte sich an seiner Sitzbank fest, während Harry bedingungslos auf die anvisierte Lücke zuraste. Die Senke war jetzt auf ihrem niedrigsten Punkt. Harry sah zwanzig Meter vor sich die Spitzen der Terrassenüberreste aus dem schäumenden Wasser ragen.
    Wenn das mal gut geht! Wir sind zu spät! Viel zu spät!
    Er drehte das Gas mit den Fingern durch und umklammerte

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