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Das Möwennest (Het Meeuwennest) (German Edition)

Das Möwennest (Het Meeuwennest) (German Edition)

Titel: Das Möwennest (Het Meeuwennest) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Biesenbach
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beständig anhaltende Jammern des Gebäudes, das überall um ihn herum tief unter dem Fußboden, an der Decke oder in den Wänden zu hören war und das sich von Minute zu Minute intensivierte. Harry saß auf den trockenen Holzdielen, den zerschossenen Fuß auf dem Rucksack gebettet, und suchte eine Erklärung dafür. 
    Entweder war der Sturm draußen schlimmer geworden und setzte der Konstruktion arg zu oder Teile des Gebäudes waren dazu übergegangen eine unkalkulierbare Eigendynamik zu entwickeln, dachte er zunächst. Vielleicht bedingte das eine aber auch das andere, mutmaßte er dann. Im Endeffekt vermochte er es nicht zu sagen. Er hörte aber mit Grausen, wie immer wieder irgendwo Teile der Struktur abzuplatzen oder abzureißen schienen. Ein besonders beruhigendes Anzeichen für das Fortbestehen des Restaurants war das sicher nicht.
    Für einige Zeit waren dies die Laute, die seine Aufmerksamkeit einnahmen. Bei dem kontinuierlichen Pochen seiner nicht mehr vorhandenen Zehen war es allerdings auch schwierig sich zu konzentrieren. Dann jedoch, ein paar Minuten nachdem Sem verschwunden war, vernahm er aus der Dunkelheit des Raums etwas anderes. Für einen Augenblick war es ein Kratzen, dann wurde es kurz zu einem Klopfen oder einem Reißen, schließlich zu einem undefinierbaren Gurgeln, Ächzen und Krächzen. Irgendetwas bewegte sich dort. Nein, dort auf der anderen Seite. In der Ecke. Oder kamen die Laute doch von weiter hinten, dort wo Sklaaten Tische und Stühle zerstört und auf einen Haufen geworfen hatte? Fest stand für Harry nur, dass er nicht allein hier war. Er lag schutzlos und verletzt auf dem Boden. Sem war fort, niemand konnte ihm helfen. Die Angst kletterte ihm den Rücken herauf und klammerte sich um seinen Hals, sodass er kaum mehr richtig atmen konnte. Er kam sich sehr hilflos vor und war nicht in der Lage etwas daran zu ändern.
    Von draußen knallte ein Schuss. Harry schreckte zusammen. Seine Nerven lagen blank. War das der entscheidende Schuss gewesen? Hatte Sem Ari Sklaaten erwischt oder war es andersherum? Und was würde als nächstes passieren? Harry wollte es nicht wissen. Die Geschichte würde für ihn so oder so kein gutes Ende nehmen, das war ihm in den letzten Stunden nur allzu klar geworden. Er hatte nur einen Wunsch. Er wollte so schnell es ging hier weg. Das Boot lag vertäut und unbewacht am Steg. Wenn er es bis dahin schaffte, hätte er vielleicht eine Chance zu entkommen. Sein Herz machte einen Hüpfer, wurde jedoch sofort wieder gebremst, als der nächste Schuss an sein Ohr drang.
    Der Mistkerl hat den Stift für den Anlasser , schoss es Harry durch den Kopf. Mutlos senkte er den Blick und fragte dann laut ins Dunkel: „Herrjeh, was soll ich denn nur tun?“
    Das Gebäude antwortete ihm mit einem Knarren, das den ganzen Fußboden erfasste und zum Zittern brachte. Irgendwo, zersprang ein Fenster. Die Scherben fielen klirrend aufs Holz.
    Het Meeuwennest kämpfte verzweifelt gegen die Gewalt des Meeres und des Sturms, aber man musste kein Genie sein, um zu erkennen, dass es begonnen hatte diesen - seit Jahren währenden - Kampf zu verlieren.
    „Warum ausgerechnet heute? Verflixt und zugenäht.“
    Harry schüttelte heftig den Kopf.
    Es half alles nichts. Er musste Sem hinterher. Er würde sich ihm stellen müssen. Der Stift für den Anlasser war der Schlüssel, um hier lebend herauszukommen. Harry nahm das Seemannsmesser auf seinem Schoß fest in die Hand und steckte es sich in die Tasche. Es blieb ihm keine andere Wahl, er musste sich Sem stellen, auch wenn er wusste, dass sein Fuß noch immer stark blutete und die Schmerzen ihm heftig zusetzten. Davon durfte er sich jedoch nicht länger aufhalten lassen. Mühsam nahm er den Rucksack auf den Rücken und war fest entschlossen, sich diesen Zündstift von Sem zu holen, mit allen Mitteln.
    Was genau draußen auf der Terrasse mittlerweile passiert war oder im Augenblick geschah, blieb ihm ein Rätsel, aber diese Unwissenheit beunruhigte ihn nicht weiter. Es war überall besser als hier alleine in der Dunkelheit zu hocken.
    Ein weiterer Knall von draußen gefolgt von einem sehr nahen, sehr finsteren Krächzen von drinnen, ließ ihn erneut unwillkürlich zusammenzucken, trieb ihn gleichzeitig jedoch an. Vielleicht hatte er schon zu lange gezögert.
     
    ***
     
    Sein erster Versuch aufzustehen endete damit, dass er sofort wieder zusammensackte und zu Boden fiel. Eine Welle der Übelkeit breitete sich in ihm aus und für einen

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