Das mohnrote Meer - Roman
ganz vertrauen. Ich tue Allerbestes.«
Am Tag vor Nils erstem Erscheinen vor Gericht brach der Monsun los, was von Nils Sympathisanten als gutes Zeichen gewertet wurde. Zu dem allgemeinen Optimismus trug noch bei, dass der Hofastrologe von Raskhali das Datum des Gerichtstermins als äußerst Glück verheißend ermittelte; alle Sterne stünden gut für den Raja. Wie man darüber hinaus erfuhr, hatten die reichsten Zamindars Bengalens ein Gnadengesuch eingereicht; selbst die Tagores aus Jorasanko und die Debs aus Rajabazar, die sich sonst auf rein gar nichts verständigen
konnten, hatten in dieser Angelegenheit, die ja ein Mitglied ihrer eigenen Kaste betraf, ihre Meinungsverschiedenheiten hintangestellt. Diese Nachrichten verbreiteten im Hause Halder so viel Freude, dass Rani Malati, Nils Frau, dem Bhukailash-Tempel einen besonderen Besuch abstattete und ein Festmahl für hundert Brahmanen ausrichtete, die sie persönlich bediente.
Nils Befürchtungen aber konnten diese Neuigkeiten nicht ganz zerstreuen, und in der Nacht vor seinem ersten Erscheinen vor Gericht tat er kein Auge zu. Er sollte vor Tagesanbruch unter leichter Bewachung dorthin gebracht werden, und seine Familie hatte die Erlaubnis erhalten, einen Trupp Bedienstete zu schicken, die ihm bei den Vorbereitungen helfen sollten. Bis zur Morgendämmerung waren es noch Stunden hin, als das Rattern von Rädern bereits das Nahen des Raskhali-Zweispänners ankündigte. Die Bediensteten erschienen an Nils Tür, und von da an kam er zum Glück nicht mehr dazu, sich Sorgen zu machen.
Parimal hatte zwei der Familienpriester mitgebracht, dazu einen Koch und einen Barbier. Die brahmanischen Hofpriester führten das »wachste« der Götterbilder des Raskhali-Tempels mit sich, eine vergoldete Statue Durgas. Während der vordere von Nils Räumen für die pūjā vorbereitet wurde, führte man Nil ins Schlafzimmer, wo er rasiert, gebadet und mit duftenden Ölen und Blütenessenzen eingerieben wurde. Als Kleidung hatte Parimal den feinsten Raskhali-Ornat gebracht, einschließlich einer mit kleinen Perlen bestickten chapkan -Jacke und eines Turbans mit der berühmten Raskhali-Brosche, einer goldenen, mit Rubinen aus dem Shan-Hochland eingelegten Blüte. Nil selbst hatte um diese Ausstattung gebeten, doch als sie nun auf seinem Bett lag, zögerte er. Würde es nicht einen falschen Eindruck erwecken, wenn er sich in
solcher Pracht vor Gericht präsentierte? Aber andererseits: Konnte es nicht ebenso gut sein, dass eine einfachere Aufmachung als ein Schuldeingeständnis aufgefasst wurde? Was war der passende Aufzug für ein Verfahren wegen Urkundenfälschung? Schließlich entschied er, dass es besser sei, die Aufmerksamkeit nicht auf seine Kleidung zu lenken, und bat Parimal um einen kurtā aus schlichtem Musselin und einen unverbrämten Dhoti aus Chinsura-Baumwolle. Während Parimal am Boden kniete und den Dhoti richtete, fragte Nil: »Und wie geht es meinem Sohn?«
»Er war bis gestern Abend mit seinen Drachen beschäftigt, huzūr . Er glaubt, Sie sind in Raskhali unterwegs. Wir haben dafür gesorgt, das er nichts von alldem hier erfährt.«
»Und die Rani?«
»Huzūr , seit man Sie abgeholt hat, ist sie schlaf- und ruhelos. Sie verbringt ihre Tage im Gebet, und es gibt keinen Tempel oder Heiligen, den sie nicht schon besucht hätte. Den heutigen Tag wird sie in unserem Tempel zubringen.«
»Und Elokeshi?«, fragte Nil. »Hat man etwas von ihr gehört?«
»Nein, huzūr , nichts.«
Nil nickte – besser, sie hielt sich versteckt, bis der Prozess vorüber war.
Als Nil angekleidet war, konnte er es kaum erwarten aufzubrechen, aber es blieb noch viel zu tun: Die pūjā dauerte fast eine Stunde, und nachdem die Priester seine Stirn mit Sandelholzpaste eingerieben und ihn mit geweihtem Wasser und darbha -Gras besprengt hatten, wurde ihm noch ein Mahl aus diversen Glück verheißenden Speisen vorgesetzt: Gemüse, in reinstem Butterschmalz frittierte pūrīs und Süßigkeiten aus patali -Sirup von den Zuckerpalmen des eigenen Haushalts. Als es endlich Zeit zum Aufbruch war, gingen die Brahmanen
voran, ließen unreine Gegenstände wie Besen und Toiletteneimer entfernen und verscheuchten alle Bediensteten, die mit derlei zu tun hatten, als Träger böser Vorzeichen. Parimal war schon vorausgeeilt, um sicherzustellen, dass es sich bei den Wachen, die Nil ins Gericht bringen sollten, um Hindus angesehener Kasten handelte, denen man Nahrung und Wasser für ihn anvertrauen konnte.
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