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Das mohnrote Meer - Roman

Das mohnrote Meer - Roman

Titel: Das mohnrote Meer - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amitav Ghosh
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reichlich Anlass zu Spekulationen.
    »Das ist eine Jackfrucht, was sie jetzt essen, schaut, er schneidet das Fruchtfleisch auf …«
    »Dein Hirn ist eine Jackfrucht, du Esel, das ist Ziegenfleisch, was die essen …«
    Plötzlich trieb ein Trupp Wachen und Chaukidars von der Polizei des Stadtbezirks die Leute auseinander. Diti und Kalua verbargen sich im Schatten, als der Kotval selbst die Treppe zu den Ghats herabgewatschelt kam, ein wichtigtuerischer, korpulenter Mann, der nicht allzu erfreut darüber schien, um diese nächtliche Stunde ans Ufer gerufen zu werden. Verärgert hob er die Stimme: »Ja? Wer ist da? Wer möchte mich um diese Zeit sprechen?«
    Einer der Männer, die die Flotte begleitet hatten, antwortete auf Bhojpuri: »Ich, Kotvalji, der Sardar der Barqandazes, ich wollte Sie sprechen. Darf ich Sie bitten, sich auf meinen Palvar zu bemühen?«
    Die Stimme kam Diti bekannt vor, und sofort war sie hellwach. »Kalua«, flüsterte sie, »lauf schnell weg zu den Sandbänken. Ich glaube, ich kenne den Mann. Wenn er dich sieht, gibt es Ärger. Geh, versteck dich.«

    »Und du?«
    »Keine Sorge«, sagte Diti, »ich ziehe mir den Sari vors Gesicht. Sobald ich weiß, was hier los ist, komme ich zu dir. Geh jetzt, chal! «
    Der Kotval wurde von zwei Polizisten begleitet, die ihm mit brennenden Zweigen in den Händen den Weg wiesen. Als sie am Wasser anlangten und der Schein ihrer Fackeln auf das Boot fiel, sah Diti, dass der Mann darin niemand anderer war als der Sardar, der sie nach dem Zusammenbruch ihres Mannes in die Opiumfabrik eingelassen hatte. Sein Anblick weckte ihre stets bereite Neugier. Was konnte der Sardar am Ghat von Chhapra mit dem Kotval zu schaffen haben? Entschlossen, eine Antwort auf diese Frage zu finden, schlich sie sich näher heran, sodass sie die beiden Männer hören konnte. Die Stimme des Sardars drang in Fetzen durch das Dunkel:
    »Hat sie vom brennenden Scheiterhaufen herunter gestohlen … sind kürzlich gesehen worden … am Ambaji-Tempel … Sie gehören doch unserer Kaste an …«
    »Das ist ja eine Katastrophe!« Jetzt sprach der Kotval. »Was soll ich tun, was schlagen Sie vor? Ich werde nichts unversucht lassen … tobā, tobā …«
    »Bhairo Singh wird Sie für jede Hilfe großzügig entlohnen … Sie werden verstehen, dass die Familienehre erst wiederhergestellt ist, wenn die beiden tot sind …«
    »Ich werde dafür sorgen, dass es jeder erfährt«, versprach der Kotval. »Wenn sie tatsächlich hier sind, dann schnappen wir sie, verlassen Sie sich drauf.«
    Diti hatte genug gehört und lief zu den Sandbänken, wo Kalua auf sie wartete. In sicherer Entfernung ließen sie sich nieder, und sie erzählte ihm, was sie gehört hatte: dass die Familie ihres toten Mannes irgendwie von ihrem Aufenthalt in Chhapra erfahren hatte und entschlossen war, sie aufzuspüren.
Es wäre zu gefährlich gewesen, auch nur einen Tag länger zu bleiben.
    Kalua hörte aufmerksam zu, sagte aber wenig. Schließlich legten sie sich unter der Mondsichel nebeneinander in den Sand. Keiner sprach, und sie lagen wach, bis die Schreie der Eulen verstummten und der Ruf eines Wiedehopfs den nahenden Tag ankündigte. Da sagte Kalua leise: »Die Girmitiyas fahren bei Tagesanbruch …«
    »Weißt du, wo ihr Schiff liegt?«
    »Am Stadtrand, im Osten.«
    »Komm. Gehen wir.«
    Sie mieden das Ufer und suchten sich ihren Weg durch das Stadtzentrum, begleitet vom Heulen der Hunde, die nachts durch die Gassen streiften. Als sie den östlichen Stadtrand erreichten, wurden sie von einem Chaukidar angehalten, der Diti für eine Prostituierte hielt und sie mit zu sich nehmen wollte. Statt sich auf einen Streit mit ihm einzulassen, sagte sie, sie habe die ganze Nacht gearbeitet und sei so schmutzig, dass sie nicht mitkommen könne, ohne vorher im Fluss zu baden. Sie musste ihm versprechen zurückzukommen, und er ließ sie gehen. Inzwischen war die Sonne längst aufgegangen, und als sie ans Wasser kamen, hatte das Schiff gerade abgelegt. Der Dafadar stand an Deck und beaufsichtigte die Matrosen beim Heißen der Segel.
    »Ramsaranji!« Sie rannten die sandige Böschung hinab. »Ramsaranji! Warten Sie …«
    Der Dafadar drehte sich um und erkannte Kalua. Der Palvar konnte nun nicht mehr zurück, doch er winkte sie heran: »Kommt! Kommt durchs Wasser, es ist nicht tief …«
    Bevor sie hineinwateten, sagte Kalua zu Diti: »Es gibt dann kein Zurück mehr. Bist du dir ganz sicher, dass wir mitfahren sollen?«

    »Was für eine

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