Das mohnrote Meer - Roman
eingeladen, Madame?«
Mrs. Burnham rückte sich unbehaglich zurecht.»Mr. Crowle? Meine liebe Paggli! Den könnte ich nicht in meinem Haus haben.«
»Mr. Crowle? Ist das der Steuermann?«, fragte Paulette.
»So ist es. Soll ja ein guter Seemann sein – Mr. Burnham schwört, dass Kapitän Chillingworth ohne ihn in den letzten Jahren völlig aufgeschmissen gewesen wäre. Aber er ist eine Teerjacke der schlimmsten Sorte. Ist wegen irgendeiner üblen Sache mit einem Vortoppmann aus der Marine entlassen worden. Sein Glück, dass der Kapitän nicht so wählerisch ist – aber, meine Liebe, am eigenen Tisch kann man den nicht haben. Da könnte man ja gleich mit dem Mochi dinieren!«
Die Bibi unterbrach sich und leckte an der Kreide. »Schade trotzdem, denn der Zweite Steuermann soll recht sympathisch sein. Wie heißt er noch gleich? Zachary Reid?«
Ein Zittern durchlief Paulette, und als es aufhörte, war es, als hätten selbst die Staubpartikel in der Luft ihr Tanzen eingestellt und warteten gespannt. Sie wagte weder zu sprechen noch auch nur aufzuschauen und konnte auf die Frage nur nicken.
»Du hast ihn bereits kennengelernt, nicht wahr, diesen Mr. Reid?«, fragte die Bibi. »War er nicht auf dem Schoner, als du letzte Woche auf einen Dekko drüben warst?«
Da Paulette nichts von ihrem Besuch auf der Ibis erzählt hatte, ärgerte sie sich nicht wenig darüber, dass Mrs. Burnham bereits davon wusste. »Ja, Madame«, sagte sie vorsichtig: »Ich bin Mr. Reid kurz begegnet. Er schien recht aimabel.«
»Aimabel, soso.« Mrs. Burnham warf ihr einen verschmitzten Blick zu. »Tatsache ist, dass sich mehr als eine junge Missy-Mem den Burschen gern angeln würde. Die Doughtys haben ihn schon in der ganzen Stadt herumgeschleppt.«
»Ja?« Paulettes Miene hellte sich auf. »Dann könnten sie Mr. Reid vielleicht als ihren Gast mitbringen? Mr. Crowle braucht ja nichts davon zu wissen.«
»Du schlauer kleiner Schaitan!« Die Bibi lachte entzückt. »Sehr findig! Und weil du darauf gekommen bist, setze ich ihn neben dich. Basta.«
Damit stieß die Kreide wieder auf die Schiefertafel hinab wie der Finger des Schicksals und schrieb Zacharys Namen auf den Platz links neben Paulette. »Na bitte.«
Paulette riss der Bibi die Tafel aus der Hand und rannte damit die Treppe hinauf in ihr Zimmer, wo sie jedoch ein Heer von Putzleuten vorfand. Dieses eine Mal schickte sie alle hinaus – »Nicht heute, nicht jetzt« – und setzte sich mit einem Stapel Tischkarten an ihren Schreibtisch.
Mrs. Burnham sah es gern, wenn die Karten in aufwendigen Zierbuchstaben beschriftet wurden, mit so vielen Schnörkeln, wie sich nur irgend darauf unterbringen ließen. Selbst an normalen Tagen brauchte Paulette oft mehrere Stunden, um diese Aufgabe zur Zufriedenheit der Bibi auszuführen. Heute zog sich die Arbeit endlos hin, die Feder spritzte und stockte, und von allen Buchstaben bereitete ihr das Z die größten Schwierigkeiten, nicht nur weil sie noch nie Anlass gehabt hatte, es als Großbuchstaben zu schreiben, sondern auch weil sie bis dahin nicht gewusst hatte, wie viele Bögen und Kringel und Möglichkeiten es bot. Sie erkundete seine Form und Größe, ihre Feder wendete es um und um und formte es zu Schleifen und Wirbeln, die sich irgendwie mit dem schlichten P ihres eigenen Namens zu verknüpfen suchten. Als sie der Sache müde wurde, zog es sie unerklärlicherweise vor den Spiegel, und sie betrachtete beunruhigt ihre wirre Mähne und die roten Stellen, an denen sich ihre Nägel in die Haut gegraben hatten. Dann trugen ihre Füße sie zum Schrank und hielten sie davor gefangen. Sie wühlte in den Kleidern, die Mrs. Burnham ihr überlassen hatte, und wünschte mehr denn je, sie wären nicht so streng in der Farbe, so voluminös im Schnitt. Einer plötzlichen Eingebung folgend, öffnete sie ihre Truhe und nahm ihren einzigen guten Sari heraus, ein Stück aus scharlachroter Benaresseide. Sie strich darüber und musste daran denken, wie es selbst Jodu, der über ihre Kleider immer nur lachte, die Sprache verschlagen hatte, als er sie zum ersten Mal darin sah. Was würde Zachary sagen, wenn er sie darin sah? Bei der Vorstellung schweifte ihr Blick aus dem Fenster zu dem Bungalow im Botanischen Garten hinüber, dann warf sie sich auf ihr Bett, zutiefst niedergeschlagen, weil alles so aussichtslos war.
ZEHNTES KAPITEL
A ls er durch die hohe Mahagonitür von Mr. Burnhams Daftar trat, kam es Babu Nob Kissin vor, als habe er die Hitze Kalkuttas
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