Das mohnrote Meer - Roman
Erleichterung, dass sein Schwager allein war. Er hatte oft bedauert, dass Malati die Regeln von Kaste und pardā so streng einhielt, jetzt aber empfand er nur Dankbarkeit dafür, denn wenn es eins gab, was die Situation noch schlimmer hätte machen können, als sie ohnehin schon war, dann wäre es ihre Anwesenheit gewesen, wenn der Verrat seiner Geliebten bekannt wurde.
Dieser Gedanke hielt ihn während des qualvollen Verlesens von Elokeshis Erklärung aufrecht – ein reich ausgeschmückter Bericht, nicht nur über das belastende Gespräch, in dem sich Nil über die Geschäfte seiner Familie mit Mr. Burnham geäußert hatte, sondern auch über die Umstände, unter denen es stattgefunden hatte. Der Raskhali-Badgero, der Spiegelsaal, ja selbst die Bettdecken wurden geradezu wollüstig bis ins kleinste Detail beschrieben, und jede neue Enthüllung wurde von den Zuschauern mit überraschten oder schockierten Ausrufen oder gar mit Gelächter quittiert.
Als es vorbei war, wandte sich Nil erschöpft an Mr. Rowbotham. »Wie lange dauert dieser Prozess? Wann ergeht das Urteil?«
Mr. Rowbotham lächelte matt. »Nicht lange, lieber Raja. Vielleicht nicht länger als zwei Wochen.«
Als Diti und Kalua zum Ghat hinuntergingen, sahen sie, warum der Dafadar am Morgen zuvor so in Eile gewesen war: Der Fluss war verstopft von einer gewaltigen Flotte, die sich entlang der Ghats von Chhapra langsam flussabwärts bewegte. Die Vorhut bildete ein kleiner Verband schneller Palvars – Einmastern sowohl mit Rudern als auch mit Segeln –, die die Wasserstraße frei machten, die Fahrrinnen erkundeten und die unter der Oberfläche lauernden Untiefen und Sandbänke markierten. Ihnen folgten unter vollen Segeln an die zwanzig Zweimaster, Patelas, die größten Schiffe auf dem Fluss, kaum kleiner als Seeschiffe.
Diti und Kalua wussten sofort, woher die Schiffe kamen und wohin sie fuhren: Es war die Flotte der Ghazipur Opium Factory, die den Ertrag der Saison nach Kalkutta zur Auktion brachte. Die Flotte wurde von einem ansehnlichen Kontingent Bewaffneter begleitet, die größtenteils auf die kleineren
Palvars verteilt waren. Die großen Schiffe waren noch eine gute Stunde entfernt, als die ersten sechs Palvars bereits anlegten. Wachtrupps sprangen an Land und begannen, Stöcke und Lanzen schwingend, die Menschen zu vertreiben und die Ghats für das Festmachen der stattlichen Patelas zu sichern.
Die Opiumflotte wurde von zwei Engländern befehligt, beides junge Assistenten der Ghazipur Karkhana. Traditionell befand sich der ältere der beiden auf dem Patela, der die Flotte anführte, der jüngere auf dem Schiff, das die Nachhut bildete. Diese beiden Schiffe waren die größten der Flotte und nahmen am Ufer die Ehrenplätze ein. Da die Ghats in Chhapra nicht viele große Schiffe aufnehmen konnten, mussten die anderen Patelas in der Flussmitte ankern.
Trotz der aufmarschierten Wachposten hatte sich bald eine Menschenmenge angesammelt, die sich die Flotte und insbesondere die beiden größten Patelas ansehen wollte. Schon am Tag boten sie einen schönen Anblick, und als nach Einbruch der Dunkelheit die Laternen angezündet wurden, erstrahlten sie in solcher Pracht, dass kaum ein Bewohner der Stadt sich einen Blick darauf versagen mochte. Von Zeit zu Zeit wurde die Menge gezwungen, einen Weg für die Zamindars und Notabeln der Stadt frei zu machen, die den beiden jungen Assistenten ihre Salams entbieten wollten. Manche wurden wieder weggeschickt, ohne eine Audienz erhalten zu haben, einigen wenigen wurde ein kurzer Empfang an Bord gewährt, wobei der eine oder andere Engländer an Deck erschien und die erwiesenen Reverenzen entgegennahm. Die Menschen drängten dann nach vorn, um die Weißen in ihren Hosen und Jacken, ihren hohen schwarzen Hüten und den weißen Halstüchern besser sehen zu können.
Im Lauf der Nacht lichtete sich die Menge, und die verbliebenen
Zuschauer rückten ein wenig näher an die stolzen Patelas heran, unter ihnen auch Diti und Kalua. Es war heiß, und die Fenster der Kajüten standen offen, sodass man ab und zu einen Blick auf die beiden Assistenten erhaschen konnte, die gerade beim Essen saßen – nicht auf dem Boden, wie die Zuschauer registrierten, sondern an einem von Kerzen hell erleuchteten Tisch. Wie gebannt verfolgten die drängelnden Menschen am Ufer die Mahlzeit der beiden Männer, die von mehr als einem Dutzend Khidmatgars und Khalasis bedient wurden.
Das Essen, das den Weißen vorgesetzt wurde, gab
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