Das mohnrote Meer - Roman
denn?«
»Weil, meine Liebe« – wieder lächelte Mrs. Burnham gutmütig –, »weil er zutiefst beeindruckt ist von deinem schlichten Betragen und deiner Bescheidenheit. Du hast sein Herz erobert. Kannst du dir nicht vorstellen, was für ein märchenhaftes Kismet es für dich ist, Mr. Kendalbushes Frau zu werden? Er ist ein Nabob – hat mit dem Chinahandel Berge von Mohars verdient. Seit er seine Frau verloren hat, sind sämtliche jungen Dinger in der Stadt hinter ihm her. Ich
kann dir sagen, meine Liebe, es gibt einen ganzen Paltan Mems, die ihren letzten Anna dafür geben würden, mit dir zu tauschen.«
»Aber«, wandte Paulette ein, »wenn so viele glänzende Memsahibs um ihn wetteifern, warum sollte er dann ein so armes Wesen wie mich nehmen?«
»Er ist offensichtlich stark beeindruckt von deiner Lernwilligkeit«, antwortete die Bibi. »Mr. Burnham hat ihm gesagt, dass du die willigste Schülerin bist, die er je hatte. Und wie du weißt, meine Liebe, sind Mr. Burnham und der Richter in diesen Dingen vollkommen einer Meinung.«
Paulette konnte das Zittern ihrer Unterlippe nicht länger unterdrücken. »Aber Madame«, sagte sie, »es gibt doch sicher viele, die die Heilige Schrift weitaus besser kennen als ich. Ich bin ja noch eine blutige Anfängerin.«
»Aber meine Liebe!«, lachte Mr. Burnham. »Deswegen hast du ja gerade seine Achtung gewonnen – weil du noch so wenig bewandert, aber so eifrig bist.«
»O Madame!« Paulette rang stöhnend die Hände, »Sie scherzen doch gewiss. Das ist nicht nett.«
Paulettes Verzweiflung setzte die Bibi in Erstaunen. »Aber Paggli!«, sagte sie. »Freust du dich denn nicht über das Interesse des Richters? Das ist doch ein Triumph! Mr. Burnham ist von Herzen einverstanden und hat Mr. Kendalbushe zugesichert, dass er alles tun wird, um dich zu der Verbindung zu bewegen. Die beiden sind sogar übereingekommen, sich eine Zeit lang die Bürde deiner Unterweisung zu teilen.«
»Mr. Kendalbushe ist zu freundlich«, sagte Paulette und wischte sich mit dem Ärmel die Augen. »Und Mr. Burnham auch. Ich fühle mich sehr honoriert, Madame – aber ich muss gestehen, dass meine Gefühle nicht die gleichen sind wie die von Mr. Kendalbushe.«
Da runzelte Mrs. Burnham die Stirn und richtete sich auf. »Gefühle, meine liebe Paggli«, sagte sie streng, »sind etwas für Dhobis und Dashis. Wir Mems lassen uns so etwas nicht in die Quere kommen! Nein, meine Liebe, lass dir gesagt sein: Du kannst von Glück reden, dass du einen Richter in Aussicht hast, und musst aufpassen, dass er dir nicht wieder entkommt. So ein kapitaler Fang ist das Beste, was sich ein Mädchen in deiner Situation erhoffen kann.«
»Aber Madame« – Paulette ließ ihren Tränen nun freien Lauf –, »sind die Reichtümer dieser Welt nicht wertloser Tand im Vergleich mit der Liebe?«
»Liebe?«, fragte Mrs. Burnham zunehmend verwundert. »Was um Himmels willen redest du denn da? Meine liebe Paggli, bei deinen Aussichten kannst du dich doch nicht von solchen Launen leiten lassen. Gewiss, der Richter ist nicht mehr der Jüngste, aber einen Batcha oder zwei kann er dir schon noch machen, bevor er in die zweite Kindheit eintritt. Und danach, meine Liebe, kann einer Mem nichts mehr passieren, was nicht mit einem ausgiebigen Bad und ein paar Cushy-girls zu kurieren wäre. Glaub mir, Paggli, Männer in diesem Alter haben viel für sich. Keine Badmashi zu jeder Nachtzeit zum Beispiel. Es gibt nichts Ärgerlicheres, kann ich dir sagen, als mir nichts, dir nichts gepackt zu werden, wenn man sich gerade auf einen Schluck Laudanum und einen schönen langen Schlaf freut.«
»Aber Madame«, sagte Paulette unglücklich, »fänden Sie es nicht penibel, sein Leben so verbringen zu müssen?«
»Das Beste an der Sache, Liebes«, sagte Mrs. Burnham vergnügt, »ist doch: Das musst du gar nicht. Er ist schließlich kein Chakara mehr; ich bezweifle, dass er noch lange auf dieser Welt weilen wird. Und stell dir vor – wenn der liebe, fromme Mann das Zeitliche gesegnet hat, kannst du mit seinem Khazana
nach Paris abdampfen, und ehe du dich versiehst, hält ein verarmter Herzog oder Marquis um deine Hand an.«
»Aber Madame«, schluchzte Paulette, »welchen Profit habe ich denn davon? Meine Jugend ist dann dahin, und die Liebe in meinem Herzen ist verkümmert.«
»Aber Paggli, meine Liebe«, protestierte die Bibi, »du könntest den Richter doch lieben lernen, meinst du nicht?«
»Lieben kann man nicht lernen«, widersprach
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