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Das mohnrote Meer - Roman

Das mohnrote Meer - Roman

Titel: Das mohnrote Meer - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amitav Ghosh
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vor Zachary zu verbergen. Jetzt wusste sie es, und dennoch brachte sie nicht den Mut auf, zu tun, was sie tun musste – oder noch nicht.

    Spät in der Nacht, kurz nach dem fünften Glasen der Mittelwache, sah Zachary Serang Ali auf dem Backdeck. Er war allein, schien in Gedanken versunken und schaute ostwärts, zum mondhellen Horizont. Den ganzen Tag hatte Zachary das Gefühl gehabt, dass der Serang ihm aus dem Weg ging, also verlor er keine Zeit und stellte sich neben ihn ans Schanzkleid.

    Serang Ali war sichtlich überrascht: »Malum Zikri!«
    »Hast du einen Moment Zeit, Serang Ali?«
    »Hab, hab. Malum was will?«
    Zachary zog die Uhr heraus, die Serang Ali ihm geschenkt hatte, und hielt sie in der Hand. »Hör zu, Serang Ali, es wird Zeit, dass du mir die Wahrheit über diese Uhr sagst.«
    Serang Ali zupfte überrascht an den Enden seines Schnurrbarts. »Was Malum Zikri mein? Nix weiß.«
    Zachary klappte den Uhrdeckel auf. »Spiel hier nicht den Dummen, Serang Ali. Ich weiß, dass du mir über Adam Danby was vorgemacht hast. Ich weiß jetzt, wer er war.«
    Serang Alis Blick wanderte von der Uhr zu Zacharys Gesicht, und er zuckte die Achseln, wie um zu sagen, dass er die Heimlichtuerei leid sei. »Wie? Wer sag?«
    »Das spielt keine Rolle. Wichtig ist, dass ich es weiß. Was ich nicht weiß, ist, was du mit mir vorgehabt hast. Wolltest du mir Danbys Tricks beibringen?«
    Serang Ali schüttelte den Kopf und spuckte einen Mundvoll Betelsaft über das Schanzkleid. »Nix wahr, Malum Zikri«, sagte er eindringlich und mit leiser Stimme. »Nix darf glaub all was ander sag. Malum Adam, er wie Sohn für Serang Ali – er Mann von mein Tochter. Jetz hat mach sterb. Auch Tochter und all Kind. Serang Ali jetz allein. Wenn hab seh Malum Zikri, hab denk seh Malum Adam. Beide selb-selb vor mich. Zikri Malum auch wie Sohn.«
    »Ein Sohn?«, fragte Zachary. »Würdest du das mit deinem Sohn machen? Ihn zum Verbrecher erziehen? Zum Piraten?«
    »Verbrech, Malum Zikri?« Serang Alis Augen blitzten. »Schmuggel Opium nix Verbrech? Handel mit Sklav … besser wie Pirat?«
    »Du gibst es also zu? Das hattest du mit mir vor – du wolltest einen zweiten Danby aus mir machen?«

    »Nein!«, sagte Serang Ali und schlug auf den Handlauf des Schanzkleides. »Nur will Zikri Malum tut gut für Malum selb. Wird Offizier. Kann sein Kebbin. All was Malum Adam nix kann werd.«
    Serang Ali schien förmlich dahinzuwelken, während er das sagte. Er sah plötzlich älter aus und wirkte seltsam verloren. Unwillkürlich mäßigte Zachary seinen Ton. »Schau, Serang Ali«, sagte er. »Du warst sehr großzügig zu mir, das kann ich nicht bestreiten. Ich denke nicht im Traum daran, dich ans Messer zu liefern. Also müssen wir das unter uns ausmachen. Ich schlage vor, dass du abheuerst, sobald wir in Port Louis sind. Dann können wir einfach vergessen, was passiert ist.«
    Serang Ali ließ die Schultern hängen. »Kann mach – Serang Ali kann so mach.«
    Zachary warf noch einen letzten Blick auf die Uhr, bevor er sie zurückgab. »Hier – die gehört in deinen Seesack, nicht in meinen. Behalt sie lieber.«
    Serang Ali deutete eine Verbeugung an und knotete die Uhr in den Bund seiner lungī .
    Zachary entfernte sich, kam aber noch einmal zurück. »Schau, Serang Ali«, sagte er. »Glaub mir, es geht mir nahe, dass es so zwischen uns enden muss. Manchmal wünsche ich mir, du wärst nie in meine Nähe gekommen. Dann wäre manches anders gelaufen. Aber du hast mir gezeigt, dass es vor allem darauf ankommt, was ich kann, und nicht darauf, wo ich geboren bin. Und wenn mir meine Arbeit wichtig ist, dann muss ich mich auch an die Regeln halten. Sonst wäre es nicht der Mühe wert. Siehst du ein, dass das vernünftig ist?«
    »Seh.« Serang Ali nickte. »Kann seh.«
    Zachary wandte sich wieder zum Gehen, doch Serang Ali hielt ihn auf. »Malum Zikri – ein Sach.«

    »Ja, was?« Zachary drehte sich um und sah, dass Serang Ali in südöstlicher Richtung nach vorn zeigte.
    »Luk-luk. Da.«
    Zachary konnte in der Dunkelheit nichts erkennen. »Was soll ich sehen?«
    »Da drüben Straße Malakka. Von hier kann sein fünfundvierzig Meil. Von da Singapur ganz nah. Sechs-sieben Tag segel.«
    »Worauf willst du hinaus, Serang Ali?«
    »Malum Zikri will Serang Ali geh, nein? Kann mach. Kann geh ganz bald, so.«
    »Wie?«, fragte Zachary verwirrt.
    Serang Ali zeigte auf eins der Beiboote. »Kann geh in Boot. Wenig Essen, wenig Wasser. Kann geh Singapur sieben Tag.

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