Das mohnrote Meer - Roman
indem er Mr. Burnham verspätet zuprostete. »Auf Ihr Wohl, Sir«, sagte er, »und auf Ihre Erfolge in China.«
Mr. Burnham lächelte. »Ich kann Ihnen sagen, leicht war es nicht«, sagte er. »Vor allem in der Anfangszeit, als die Mandarine noch nicht so zugänglich waren.«
»In der Tat?« Da er sich nie eingehend mit Fragen des Handels befasste, hatte Nil angenommen, der Opiumhandel erfreue sich in China der Duldung höchster Stellen. Diese Vermutung lag schon allein deshalb nahe, weil der Handel in Bengalen vom britischen Staat nicht nur sanktioniert, sondern
sogar unter dem Siegel der Ostindien-Kompanie monopolisiert wurde. »Sie setzen mich in Erstaunen«, sagte er. »Wird demnach der Verkauf von Opium in China amtlicherseits nicht gern gesehen?«
»Ja, leider«, antwortete Mr. Burnham. »Der Opiumhandel ist dort seit einiger Zeit verboten. Aber bisher haben sie da kein großes Tamtam drum gemacht: Die Mandarine haben immer ihre zehn Prozent Provision bekommen und deshalb nur zu gerne ein Auge zugedrückt. Und der Wirbel, den sie jetzt machen, hat nur den einen Grund, dass sie einen höheren Anteil am Gewinn einstreichen wollen.«
»Da gibt’s nur eins«, verkündete Mr. Doughty mit vollem Mund. »Eine ordentliche Tracht Prügel für die Schlitzaugen.«
»Ich fürchte, da muss ich Ihnen zustimmen, Doughty.« Mr. Burnham nickte. »Ein paar Hiebe zur rechten Zeit können oft Wunder wirken.«
»Sie sind also überzeugt«, fragte Nil, »dass Ihr Land einen Krieg führen wird?«
»Ja, gut möglich, ja, dass es so weit kommt«, bestätigte Mr. Burnham. »Großbritannien hat bisher eine Engelsgeduld bewiesen, aber alles hat seine Grenzen. Denken Sie nur daran, wie die mit Lord Amherst umgesprungen sind. Er stand mit einer Schiffsladung Geschenke vor den Toren Pekings – und der Kaiser hat ihn nicht mal empfangen.«
»O bitte, schweigen Sie davon, Sir!«, sagte Mr. Doughty. »Seine Lordschaft sollte in aller Öffentlichkeit den Kotau machen! Nächstens verlangen sie von uns noch, dass wir uns Zöpfe wachsen lassen!«
»Und Lord Napier ist es auch nicht besser ergangen«, erinnerte ihn Mr. Burnham. »Die Mandarine haben ihm nicht mehr Beachtung geschenkt, als sie für dieses Hähnchen übrig hätten.«
Das lenkte Mr. Doughtys Aufmerksamkeit wieder auf sein Essen. »Apropos Hähnchen, Sir«, murmelte er. »Dieses hier schmeckt ganz ausgezeichnet.«
Nils Blick kehrte wieder zu dem unberührten Vogel auf seinem eigenen Teller zurück. Auch ohne davon zu kosten, wusste er, dass es sich um einen erlesenen Leckerbissen handelte, aber das durfte er natürlich nicht sagen. »Sie sind zu gütig, Mr. Doughty«, sagte er mit der Bescheidenheit des vorbildlichen Gastgebers. »In Wahrheit handelt es sich nur um ein mit Ungeziefer behaftetes kleines Geschöpf, das Ihrer und meiner anderen Gäste nicht würdig ist.«
»Ungeziefer?«, fragte Zachary beunruhigt. Erst jetzt fiel ihm auf, dass Nil keine der Speisen angerührt hatte, die ihm aufgetan worden waren. Er legte seine Gabel weg und erkundigte sich: »Aber Sie haben Ihr Hähnchen ja gar nicht angerührt, Sir. Ist es … ist es in diesem Klima nicht ratsam, solches Fleisch zu essen?«
»Nein«, sagte Nil, korrigierte sich aber sofort: »Ich meine, doch, ja … Sie können es getrost verzehren …« Er brach ab und überlegte, wie er dem Amerikaner auf höfliche Art erklären konnte, warum Huhn dem Raja von Raskhali verboten, für einen unreinen Ausländer aber eine durchaus bekömmliche Speise war. Er fand keine Worte und sah stumm flehend die beiden Engländer an, die mit den Speisegeboten der Halders durchaus vertraut waren. Keiner von beiden erwiderte seinen Blick, doch schließlich gab Mr. Doughty ein blubberndes Geräusch von sich wie ein Wasserkessel, der zu sieden anfängt: »Jetzt essen Sie das Zeug auf, Sie Esel«, zischte er Zachary zu. »Der wollte Ihnen doch bloß schmeicheln.«
Alles löste sich in Wohlgefallen auf, weil in diesem Moment eine Fischplatte hereingebracht wurde: panierte Bhetki-Filets, dazu knusprig frittierte Gemüse- pakorās . Mr. Doughty inspizierte
das Gericht eingehend. »Barramundi, wenn ich mich nicht irre – und Teigtaschen! Nun, Sir, Ihre Köche tun uns wirklich Ehre an.«
Nil wollte gerade höflich widersprechen, als er eine Entdeckung machte, die ihn bis ins Mark erschauern ließ. Zufällig war sein Blick auf die welken Seerosen in der Tischmitte gefallen, und zu seinem Entsetzen stellte er fest, dass die Blumen nicht etwa
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