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Das Molekular-Café

Das Molekular-Café

Titel: Das Molekular-Café Kostenlos Bücher Online Lesen
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zu entführen.
    Genau das hatte Zdenek Pištora getan.
Ohne jemandem ein Sterbenswörtchen zu verraten, hatte er die
kybernetische Ameise heimlich, still und leise in die Flasche gesteckt
und mit nach Hause genommen.
Er war sich natürlich bewußt, daß sein Tun
überaus verwerflich war und schon an Frevel grenzte. Deshalb ging
ihm die Sache auch so zu Herzen.
Als der Chef gegangen war, dauerte es eine Weile, bis Pištora
sich beruhigt hatte. Der unerwartete Besuch hatte ihn zu sehr aus der
Fassung gebracht. Was für ein dummer Zufall! Erst als er sich
vergewissert hatte, daß die Gefahr vorüber war, bekam er
sich wieder in die Gewalt und rief sich das kurze Gespräch mit
Kracmer ins Gedächtnis zurück. Es war mehr als klar: Der
Professor fürchtete die Kyberoformica und schlug vor, sie
zurückzuziehen.
»Unseliger Angsthase!« sagte er laut und spürte, wie
sich sein Herz zusammenzog vor Zorn, Kränkung und Eifersucht um
die großartige Kyberoformica.
    Besuch im Teeglas
    Danka ließ nicht auf sich warten. Wer
hätte auch die Gelegenheit verpassen wollen, den unvergleichlichen
Zdenek wiederzusehen und gleichzeitig den Kyber zu besichtigen, der
bald ins Zentrum der Galaxis reisen würde!
    Ein Telefongespräch, und keine halbe Stunde
verging, da beugten sich zwei Köpfe – ein schwarzer mit
Igelschnitt und ein wuschliger aschfarbener – über das Glas,
in den, eifrig mit dem Antennenschnauzbart wedelnd, die wunderbare
künstliche Ameise herumkroch.
    Zunächst konnte Danka nicht fassen, daß
das schwarze Insekt nicht natürlichen Ursprungs sei. Allzu
ähnlich war die Kyberoformica ihren lebenden Artgenossen. Doch
Zdenek fiel es nicht schwer, ihre Zweifel zu zerstreuen. Er nahm eine
Lupe mit hundertfacher Vergrößerung und zeigte Danka den
Stempel des PITM und seinen eigenen Namen, der der Kyberoformica auf
den Bauch graviert war.
    Entzückt rief Danka: »Oh, Zdenek, du bist ein As!« Der Herr Doktor wurde vor Freude knallrot, rückte seine
    Brille zurecht und sagte bescheiden: »Was du
nicht sagst!« Doch dann nahm er Haltung an und setzte hinzu:
Ȇbrigens
war das gar nicht so einfach! Wenn du wüßtest, was der
Kyber alles in sich hat! Hundertfünfzig Geräte und
Steuerungssysteme! In normaler Größe würden die nicht
einmal im Gebäude des PITM Platz finden!«
»Tatsächlich? Kaum zu glauben. Und das hast du alles
selbst gemacht?«
»Was heißt ›selbst gemacht‹? Daran haben über fünfhundert
Mann gearbeitet. Ich habe nur Montage und Justierung
geleitet und als Erfinder und Chefkonstrukteur die
Oberaufsicht gehabt. Deshalb steht neben dem
Institutsstempel auch mein Name. Wenn man bedenkt, daß
dieser Name ins Zentrum unserer Galaxis fliegen wird…«
»Oh, Zdenek! Schrecklich, wie berühmt du bald sein
wirst!« Und das aschfarbene Köpfchen sank ihm zärtlich
an die
Brust.
Rund zwei Stunden später, nachdem er seine Braut bis an
die Straßenbahnhaltestelle gebracht hatte, kehrte der
glückliche Bräutigam nach Hause zurück, stürzte als erstes zu
dem Glas, warf einen Blick hinein und rief verwundert: »Das
ist ja allerhand!«
Statt einer Ameise erblickte er mindestens ein Dutzend
dieser flinken Insekten. Die Gäste unterschieden sich
allerdings in Färbung. Ausmaß und Benehmen so stark von
ihrer Gastgeberin, daß es durchaus nicht notwendig war, zur
Lupe zu greifen, um unter den gewöhnlichen, lebendigen
Ameisen die kostbare Techmin herauszufinden. Die neu
angekommenen Ameisen waren kleiner und bedeutend heller
als die künstliche. In dichten Scharen umkreisten sie die
Kyberoformica, betasteten sie mit ihren Fühlern und staunten
sie offenbar nicht weniger an, als Danka es getan hatte. Die
Kyberoformica selbst verhielt sich würdevoll und befühlte
ihrerseits mit den Antennen in aller Ruhe der Reihe nach ihre
Gäste, studierte sie und nahm sie mit ihrer gesamten
komplizierten Apparatur zur Kenntnis.
»Nein, meine Liebe, das ist keine Beschäftigung für dich!
Dir steht weit Höheres bevor, als dumme irdische Ameisen
zu inspizieren!«
Nach diesen Worten nahm Zdenek die Kyberoformica
vorsichtig mit der Pinzette und steckte sie in die kleine Flasche
zurück, die er mit dem Stöpsel fest verschloß. Was die
lebenden Ameisen betrifft, so behandelte der Doktor sie nicht nur
unmanierlich, sondern geradezu barbarisch: Er goß Wasser ins Glas
und schüttete es mitsamt den Ameisen in den
Küchenausguß.
Danach legte er die Flasche mit der Kyberoformica in die
Schreibtischlade und ging schlafen. Schon im voraus

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