Das Molekular-Café
nachdenklich durch die geöffnete Tür der
Flugzeugkabine. Über den grauen Konturen der Steppe erhob sich
bereits der Schimmer des neuen Tages. Irgendwo heulte ein Dingo, und
aus den Eukalyptuswäldern drang der scharfe Schrei aufgescheuchter
Papageien.
»Wissen Sie, Demens, es gibt immer noch Menschen, die unsere Welt
und ihre Zusammenhänge nicht verstehen. Diese Leute leben wie
Schiffbrüchige auf einer Insel und plagen sich mit
Alpträumen, mit panischer Existenzangst ab.«
»Zu jenen Käuzen gehöre auch ich, meinen Sie.« Er
lachte zornig auf. »Ist das, was hier geschah, etwa ein Alptraum?
Wenn ja, dann bringen Sie mich nur schleunigst in die nächste
Irrenanstalt!«
Sein Eifer zwang mir ein Lächeln ab. »Dessen wird es gar
nicht bedürfen, um Sie von Ihrer Schwarzseherei zu kurieren.«
»Na, großartig. Vielleicht haben Sie die Güte, mir zu
verraten, wie Sie meine – Heilung zu bewerkstelligen
gedenken.«
»Sehr gern. Ich werde mit den Autogonen sprechen.«
Er sprang auf. »Sie wollen… Ja, kein Zweifel mehr, wer hier wahnsinnig ist!«
»Urteilen Sie nicht voreilig.«
»Mann, die Kerle werden Sie atomisieren! Glauben Sie, so etwas
wie einen Burgfrieden zwischen Mensch und Maschine heraushandeln zu
können?«
»Die Frage so stellen heißt das Problem falsch sehen,
verehrter Kollege«, wandte ich ein. »Selbst die vollkommene
Maschine kann dem Menschen nie ebenbürtig sein.«
Er warf sich in die Brust. »Darf ich daran erinnern, daß
Millionen Menschen heute bereits zu fünfzig Prozent künstlich
sind? Es gibt naturgetreue Ersatzteile für alle Organe. Vom
künstlichen Gebiß bis zum Kunstherzen. Sehen Sie’s
doch mal so, Human: Mensch und Automat nähern sich einander. Der
Mensch wird automatischer, der Automat menschlicher. Letzte Konsequenz
ist eine neue Form der Materie.«
»In der Möglichkeit, den natürlichen Verschleiß
unseres Organismus aufzuhalten und damit das Leben zu verlängern,
finde ich nun wirklich nichts, was der Menschenwürde
abträglich wäre. Die Annäherung, von der Sie sprechen,
ist eine Fiktion. Seelische Vorgänge entziehen sich der
mathematischen Logik, sind niemals steuerbar im Sinne echter Automatik.
Also wird die Maschine zu keiner Zeit menschliche Qualität
erreichen.«
»Wir werden niemals einig!« knurrte Demens.
»Ich bin kein Pessimist. Jedenfalls werde ich mit dem Graviplan neben Ihrem ehemaligen Labor landen.«
»Wenn’s schiefgeht, ist es mit mir hier aus!«
»Völlig richtig. Aber dann können Sie wenigstens in dem
stolzen Bewußtsein sterben, daß Ihre Theorie stimmt.«
Diese Aussicht schien Demens wenig verlockend zu sein. Er verließ
stumm die Kabine und zog sich auf sein dornenreiches Lager zurück.
Indessen besprach ich mich mit meinen Begleitern. Darauf starteten wir.
Der Graviplan schwebte neben der Ruine nieder. Ich stieg aus und sah
mich um.
Weit und breit kein Autogone. Sollten sie wieder auf Raubzug sein?
Höchste Zeit, ihnen diese Unart auszutreiben. Demens war wirklich
ein Idiot. Ich hatte es ihm nur nicht so deutlich sagen wollen.
Lauschend, spähend betrat ich das Labor. Hier war kein Stein mehr
auf dem anderen. Bei jedem Schritt raschelte und schepperte es.
Abgespulte Magnetbänder, Drahtspiralen, Hirnrelais, ausgerissene
Glieder, Fragmente von Autogonenleibern. Ein Chaos!
Daß sich keines von Demens’ vertrackten Geschöpfen
sehen ließ, begann mich zu beunruhigen. Sie mußten den
Graviplan bemerkt haben, und bei der sprichwörtlichen
Roboterneugier war es ganz unwahrscheinlich, daß sie sich nicht
in der Nähe befanden. Warum aber verbargen sie sich? Es sah nach
Hinterhalt aus. Jeden Moment konnte ein blitzschneller Angriff
erfolgen. Mit meinen Leuten hatte ich verabredet, daß sie mich
durch ein Signal verständigen, falls Gefahr im Verzuge ist, und
daß sie dann auf zehn Meter Höhe gehen sollen, um den
Graviplan vor Beschädigungen zu schützen. Ich selber wollte
mich schon zu verteidigen wissen.
Allmählich wurde die Stille unheimlich. Einer Gefahr
gegenüberzustehen, sie zu sehen und abzuschätzen, hatte ich
mich noch nie gescheut. Aber sie zu spüren, ohne zu wissen, woher
sie kommen und welcherart sie sein wird, das war abscheulich.
Ich hielt es für ratsam, das Labor zu verlassen und im Freien
Umschau zu halten. Auf dem Wege zur Tür stieß ich irgendwo
an. Eine Roboterfaust polterte von einem Regal herab und blieb geballt
wie eine stumme Drohung vor meinen Füßen liegen. Nervös
schleuderte ich sie mit einem Tritt beiseite. Einen Krach
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