Das Molekular-Café
anwenden, dann werde ich schon sehen, wo
es fehle und was noch vonnöten sei.
Antäus stapfte wortlos davon. Ob er mich verstanden hatte, konnte ich nicht erraten. Ihm fehlte ja die Mimik.
Inwieweit das Mienenspiel als Ausdruck seelischer Vorgänge
überhaupt ein Vorzug oder ein Mangel ist, mochte ich nicht
definitiv entscheiden. Ich neige dazu, es für
überflüssig zu halten, etwa wie Steißbein und
Wurmfortsatz.
Was soll’s, wenn ein Mensch mir durch Schmunzeln zeigt, daß
er mich nicht ernst nimmt? Mag er es mir ins Gesicht sagen, das ist
wenigstens ehrlich.
Oder wie unerfreulich ist es, einem Bekannten zu begegnen, dem man
schon auf zehn Schritt ernste Sorgen ansieht. Obwohl er von seinen
Schwierigkeiten nicht reden möchte, dringt man über seine
Miene ungewollt in fremdes Seelenleben ein. Das ist doch nicht in
Ordnung.
Man könnte ihn durch einen psychochirurgischen Eingriff von den
Sorgen befreien. Frontale Lobotomie, das heißt Entfernen eines
Teiles der Stirnlappen der Hirnrinde. Sie lachen, Human! Wie wollen Sie
ihm aber sonst helfen, wenn er nicht zu sprechen wünscht?
Das Problem wäre meines Erachtens ein lohnendes Thema für ein
Symposium. Möglich, daß sich die Gelehrten in diesem Punkte
einig werden. Aber schweifen wir nicht ab.
In der darauffolgenden Nacht erwachte ich von einem Geräusch. Es
war ein Ächzen, Knirschen und Knacken. Ich stürzte zum Labor
hinüber, denn von dort kamen die sonderbaren Laute. Was ich sah,
trieb mir die Haare zu Berge.
Mitten im Raum stand Antäus mit geöffneter Schädeldecke.
Er hatte die Trepanation selber vorgenommen. In den Pranken hielt er
das Speicherwerk eines Servoroboters, den er fürchterlich
zugerichtet hatte. Um ihn herum lagen Arme, Beine und die
Trümmerstücke des Kopfes.
Es war mein liebster, bester Servo gewesen. Immer intakt, nie verklemmt
oder anspruchsvoll hinsichtlich neuer Einzelteile. Voll Wut fuhr ich
auf Antäus los und fragte, was das zu bedeuten habe.
Er sah mich starr an und erklärte in aller Ruhe, daß er mit dem Speicher des Servos sein Hirn aufstocken wolle.
Ich untersagte ihm das in scharfen Worten, obwohl ich wußte,
daß er nicht auf mich hören wird, und ging wieder zu Bett.
An Schlaf war natürlich nicht mehr zu denken. Ich vernahm das
feine Rauschen eines Lasergeräts. Antäus schweißte sich
offenbar den Schädel zu. Mir wurde übel bei der Vorstellung,
er hätte auf die Idee kommen können, sich mein lebendes
Gehirn anzueignen. Freilich war das Blödsinn. Was sollte er mit
einem organischen Gehirn schon anfangen? Ich war einfach mit den Nerven
fertig.
Auch diese Eigenmächtigkeit von Antäus fand unverzüglich
Nachahmung. In wenigen Tagen besaß ich keinen Servoautomaten
mehr. Ich machte mir die heftigsten Vorwürfe, daß ich
Antäus so oft bei der Fertigung von Autogonen hatte zuschauen
lassen. Er war über sein Bauschema völlig im Bilde und hatte
es den anderen beigebracht. Sie setzten sich die fremden Hirne nach dem
Prinzip der Batterieschaltung ein und verstärkten damit die
Leistung ihrer Speicherwerke enorm. Auf diese Idee wäre ich nie
gekommen.
Nachdem ich den Schock überwunden hatte, bedachte ich ganz
nüchtern die Lage. Zweifellos waren die Autogonen in eine neue
Entwicklungsphase eingetreten. Sie begannen nach eigener
Gesetzmäßigkeit zu leben und zu handeln. Eine Gemeinschaft
bildeten sie allerdings nicht. Alle taten zwar das gleiche, aber jeder
für sich. Das war bemerkenswert, und ich beschloß, mich im
Interesse meines Experiments fortan völlig passiv zu verhalten,
nur noch zu beobachten, was auch geschehen würde.
Sie unternahmen nunmehr größere Streifzüge. Oft waren
sie tagelang verschwunden. Manchmal schlich ich ihnen nach, um
herauszufinden, was sie trieben. Weit kam ich nicht. Während sie
mit ihren Polysilitpanzern den verfluchten Scrub mühelos
durchdrangen, riß ich mir die Haut am Dornengestrüpp in
Fetzen.
Immer häufiger passierte es, daß sie mit fremden
Speicherwerken und anderen nützlichen Teilen heimkehrten. Sie
schienen auf Siedlungen gestoßen zu sein, wo sie Roboter minderer
Ordnung raubten und ausnahmen.
Das paßte gar nicht in meinen Plan. Ich wollte begreiflicherweise
kein Aufsehen erregen, solange das Experiment noch im Gange war.
Ängstlich mied ich das Videofon. Jeden Augenblick fürchtete
ich, eine Beschwerde zu erhalten, die sich gewaschen hat. Es kam aber
nichts.
Die Autogonen nahmen von meiner Anwesenheit überhaupt keine Notiz
mehr. Sie schalteten und walteten, wie es ihnen
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