Das Mond-Monster
der Wohnung von Bens Tochter Helen zu treffen, die dort lebte, wie uns ihr Vater mitgeteilt hatte. Die Adresse hatten wir, und sie war sicherlich leicht zu finden.
Suko war in Form. Wir hatten eigentlich abgemacht, uns auf der Fahrt abzuwechseln. Wenn Suko allerdings seinen BMW unter dem Hintern hatte, war er nicht zu bremsen. Dann wollte er durchfahren und so ließ ich ihm seinen Spaß und machte zwischendurch mein Nickerchen.
Ich wurde nur wach, als wir tankten und ich noch etwas zu essen besorgte, zwei mit Putenfleisch und Salat belegte Sandwiches.
Wir tranken dazu Kaffee und Tee aus dem Automaten. Suko beschwerte sich über seinen Tee, ich über meinen Kaffee.
Wir hatten bereits die Küstenregion erreicht und rochen hin und wieder die See. Am Himmel stand eine hohe Sommersonne, deren Strahlen alles wärmten, jedoch nicht zu viel Hitze abgaben. Hinzu kam noch der Wind vom Wasser her, sodass man diesen Tag als einen der schönen im Sommer einstufen konnte.
»Mich beschäftigt die Frage, ob die Frauen tot sind oder nicht«, sagte Suko. Er sprach damit genau auch meine Überlegungen an.
»Es wurde keine Leiche gefunden.«
»Na und? Macht das Hoffnung?«
»Ich denke schon.«
»Man hat sie bestimmt dem Meer übergeben.«
Ich hob die Schultern. »Wir versuchen doch immer wieder, hinter gewissen Aktionen einen Sinn zu entdecken. Und sind sie auch noch so unverständlich. Was bringt es, wenn ich vier Frauen entführe und sie dann ins Meer werfe? Wobei doch mindestens eine oder zwei gefunden…«
»Kennst du die Strömungen?«
Ich leckte mit der Zungenspitze Soße vom Rand des Sandwiches weg und schüttelte den Kopf. »Die kenne ich natürlich nicht, Suko, aber mir sagt einfach mein Gefühl, dass die Frauen noch leben. Wenn sie trotzdem tot sind, hat man sie irgendwo versteckt, und zwar so gut, dass selbst die Suchtrupps sie nicht gefunden haben.«
»Dann muss das Mond-Monster verdammt gut sein.«
»Ja, warum nicht?«
Suko schaute auf die nicht weit entfernt stehenden Zapfsäulen. Im Schein der Sonne sahen sie aus wie frisch geputzt. »Was kann dieser Entführer dann mit ihnen Vorhaben, solltest du tatsächlich Recht behalten?«
»Er braucht sie.«
»Wofür?«
Ich aß erst den Rest auf und nahm einen Schluck Kaffee. »Für ein Ritual, zum Beispiel.«
Suko sah mich unter gefurchten Augenbrauen an. »Ein Ritual?«, murmelte er. »Ich habe eher den Eindruck, dass unser Mond-Monster selbst ein ritualisiertes Geschöpf ist, wenn es tatsächlich so aussieht, wie es die Zeugen beschrieben haben.«
»Weshalb sollten sie sich geirrt haben?«
Er zuckte mit den Schultern. »Das weiß ich leider auch nicht. Jedenfalls jagen wir keiner eingebildeten Gestalt nach. Da ist schon etwas in Bewegung geraten und ich hoffe nur, dass du mit deiner Meinung Recht behältst und die vier Frauen noch am Leben sind. Ansonsten bekomme ich die Krise.«
Da hatte Suko ein wahres Wort gesprochen. Ich nahm seinen Becher und sein Papier mit zu einem Abfalleimer und überlegte dabei, ob wir es mit einem Menschen oder einem Dämon zu tun hatten oder einem Menschen, der sich den dämonischen Ritualen hingegeben hatte. Das hatte es oft genug gegeben. Da brauchte ich nur an die Serienkiller zu denken, die oft genug als Grund für ihre Taten einen Einfluss von außen angegeben hatten und nicht selten vom Teufel geredet hatten.
Da gab es schlimme Dinge, die schon passiert waren, und es kam denjenigen auch nicht auf die Anzahl der Toten an. Ihnen ging es dabei um die Sache an sich und um ihr eigenes Seelenheil.
Als ich zum BMW zurückkehrte, saß Suko bereits im Wagen. Wir mussten noch gut hundert Kilometer zurücklegen, ein Katzensprung, nicht mehr.
»Du willst den Rest auch noch durchziehen?«, fragte ich.
»Klar doch.«
»Ist dein Problem.«
»Ich fühle mich fit.«
»Umso besser.« Grinsend stieg ich ein. »Ich übrigens auch, mein Freund.«
»Klar, du hast ja auch geschlafen.«
»In meinem Alter braucht man das eben.«
»Sicher, sicher. Ich sage auch nichts. Schließlich sitze ich als Schutzengel neben dir.«
Ich musste lächeln. »Nur schade, dass du nicht wie ein Engel aussiehst. Zumindest nicht wie ein weiblicher.«
»Denk daran, dass die meisten Engel geschlechtsneutral sind.«
»Ja, ja«, sagte ich seufzend, »das ist mein Problem.«
Wir hatten den Fjord Mouth of the Severn nördlich von Bristol an einer relativ schmalen Stelle überquert. Um Newport konnten wir herumfahren, an Cardiff fuhren wir ebenfalls nördlich
Weitere Kostenlose Bücher