Das Mond-Monster
die Frauen unter Umständen noch am Leben sind.« Cross blickte Suko jetzt direkt an. »Die Sonderkommission gab es zwar, doch sie war hoffnungslos unterbesetzt. Das ist meine Ansicht. Sie konnte nicht effektiv arbeiten. Die Kollegen, ich eingeschlossen, wir sind ja in den Vollmondphasen unterwegs gewesen, aber das Mond-Monster war eben schneller.«
»Demnach ist es kein Phantom.«
»Nein.«
»Es wurde gesehen und konnte sogar beschrieben werden.«
Ben Cross dachte erst einmal nach. »Ja, das stimmt alles, was Sie da sagen, Suko, aber Sie wissen selbst, wie das mit den Zeugen ist. Die sehen alle etwas und sie haben davon gesprochen, dass dieses Mond-Monster ein Geschöpf mit leuchtendem Kopf ist.« Er schüttelte seinen eigenen. »So ein Unsinn, würde ich sagen.«
»Sie glauben nicht daran?«
»Eigentlich nicht. Gibt es denn so etwas? Ich kann mir keine Monster vorstellen, wobei jeder Mörder ein Monster ist, aber nicht so eines wie es hier beschrieben wurde. Das gehört meiner Ansicht nach mehr auf die Leinwand als Antiheld in einem Grusel-Schocker.«
»Das stimmt schon«, meinte Suko, »aber manchmal überholt die Wirklichkeit den Film.«
»Das ist auch leider wahr.« Er schaute für einen Moment in die Ferne. »Natürlich haben wir die Aussagen der Zeugen ernst genommen und nicht darüber gelacht, aber uns ist dieses Geschöpf leider nicht begegnet, sonst säßen Sie nicht hier. Meine Dienststelle hat den Fall dann weitergegeben, weil wir nicht mehr zurechtkamen. Vielleicht sind wir auch betriebsblind gewesen, doch die Hoffnung, dass der Täter aufgeben würde, hat sich nicht erfüllt.«
Wir sahen, dass es in ihm arbeitete. Das Verschwinden seiner Tochter ging ihm an die Nerven und ich wollte wissen, warm er sie zum letzten Mal gesehen hatte.
»Ich arbeite in der Stadt und habe viel zu tun. Auch als sie wieder hierher zog, habe ich sie wenig gesehen.«
»Und Ihre Frau?«
»Ich bin geschieden.«
»Pardon, das wusste ich nicht.«
»Nicht tragisch.«
Ich blieb trotzdem bei dem Thema Familie. Der Kollege saß neben mir und schaute auf seine Füße. Er änderte seine Haltung auch nicht, als er mich hörte. »Wollte Ihre Tochter den näheren Kontakt zu Ihnen nicht?«
Ben Cross seufzte auf. »Was heißt wollen?«, fragte er leise. »Helen ist erwachsen. Schon recht früh hat sie ihr eigenes Leben geführt. Sie ging nach London und warf sich dort wie eine Berserkerin in die Arbeit. Sie hatte kaum Zeit für mich, wenn ich sie mal besuchen wollte. Für meine geschiedene Frau im Übrigen auch nicht. Helen kehrte schließlich zurück, weil London sie fertig gemacht hatte. Oder der Job. Vielleicht auch beides. Sie hatte das berühmte Burn-out-Syndrom erwischt. Sie ist ein Opfer der New Economy geworden. Viel eingesetzt, viel auf dem Papier gewonnen und letztlich alles verloren. So wie ihr wird es vielen in der Großstadt ergangen sein. Vorbei mit dem Genuss. Tja, dann ist sie eben hier in die Langeweile zurückgekehrt, um den Motor wieder aufzuladen, und sie wollte mit sich ins Reine kommen, deshalb ist sie auch allein geblieben und hat den Kontakt zu mir nicht eben gesucht. Ich hatte den Fall am Hals und ich habe auch mit ihr über das Mond-Monster gesprochen. Ich habe sie gewarnt, Acht zu geben, weiß aber nicht, wie sie innerlich meine Warnungen aufgenommen hat.« Er winkte ab. »Ich hätte mir meine Worte auch sparen können. Es hat genug in der Zeitung gestanden.«
»Kennen Sie denn Freunde oder Bekannte Ihrer Tochter?«
»Nein, Mr. Sinclair. Weder hier noch in London. Ihr Kreis war nicht meiner, obwohl ich mich nicht unbedingt als konservativ ansehe. So also liegen die Dinge. Ich habe mich mit dem Fall des Mond-Monsters beschäftigt und hätte nicht gedacht, dass ich durch meine Tochter persönlich involviert werden würde.«
»Dann gehen Sie also davon aus, dass Helen das fünfte Opfer des Mond-Mörders geworden ist«, stellte Suko fest.
»Beweisen Sie mir das Gegenteil.«
»Das kann ich leider noch nicht.«
Der Kollege trank seine Kaffeetasse leer. Wir bekamen mit, wie sehr seine Hände dabei zitterten. Als er mit den Augen zwinkerte, lag es bestimmt nicht nur am grellen Sonnenlicht.
»Ich habe die Unterlagen gelesen«, sagte ich. »Nicht nur, dass sie sehr mager waren, was die Ermittlungen angeht, ich habe darin auch keine Hinweise gefunden, die uns zu dem Täter führen könnten.«
»Weil es keine gibt. Abgesehen von den Aussagen der Zeugen. Ob die stimmen, kann kein Mensch sagen.«
»Wie
Weitere Kostenlose Bücher