Das Mond-Monster
vorbei und fuhren in Richtung Barry.
Diese Hafenstadt war unser Fixpunkt. Von dort war es nicht mehr weit bis Gileston. Wir hatten Barry noch nicht erreicht, als sich mein Handy meldete.
»Das wird Sir James sein«, sagte ich zu Suko. »Wetten?«
»Wenn du dich da nicht mal irrst.«
»Warum sollte ich?«
»Warte es ab.«
Er hatte leider Recht. Es war nicht Sir James, sondern Ben Cross, und seine Stimme hörte sich nicht besonders gut an.
»Wo sind Sie jetzt?«
Ich erklärte es ihm.
»Dann dauert es nicht mehr lange…«
»Gibt es Probleme?«, erkundigte ich mich.
Zunächst hörte ich keine Antwort. Es kam mir vor, als müsste der Mann nach den richtigen Worten suchen, die er schließlich fand, auch wenn er sich dabei meiner Ansicht nach recht umständlich ausdrückte.
»Ich hoffe nicht, dass es große Probleme gibt, aber der Vorgang ist schon seltsam.«
»Welcher?«
»Meine Tochter ist verschwunden.«
Zack, das hatte gesessen. Ich sagte zunächst mal nichts. Dann räusperte ich mich. »Himmel, Ihre Tochter ist längst erwachsen, und ein erwachsener Mensch ist immer mal nicht zu Hause.«
»Da gebe ich Ihnen Recht. Aber sie ist wirklich verschwunden. Man hat sie nicht gesehen. Ich habe sie am Morgen telefonisch nicht erreicht, worüber ich mir auch keine Sorgen machte, aber jetzt ist sie weg. In Anbetracht dieser schrecklichen Vorgänge befürchte ich das Schlimmste.«
»Sagen Sie nicht, dass Sie an das Mond-Monster denken.«
Doch.«
»Nein, Kollege, aber doch nicht so schnell.«
»Sie sagen das so. Es ist auch verständlich. Aber in Anbetracht der Lage rechne ich mit allem. Ich war in ihrem Zimmer. Nichts weist darauf hin, dass sie gepackt hat, um eine Reise zu unternehmen. Ich habe mit ihren Nachbarn gesprochen und die wissen auch nichts. Sie wurde an diesem Tag noch nicht gesehen. Sie war auch in der Nacht nicht in ihrer Wohnung oder hat zumindest nicht in ihrem Bett gelegen, denn das war unbenutzt.«
»Hat sie denn einen Freund?«
»Im Moment nicht. Sie zog wieder her, um ihre Ruhe zu haben. Sie wollte einfach nur nachdenken. Dabei kann ein Freund stören. Ich habe Ihnen das auch nur gesagt, weil ich mir große Sorgen mache und Sie sich bitte nicht über mein Verhalten wundern.«
»Ja, das versteht sich. Wo treffen wir uns?«
»Neben dem Haus meiner Tochter befindet sich ein Café. Es ist gleichzeitig auch ein Pub. Dort werde ich auf Sie warten. Da habe ich dann auch die Haustür im Blick.«
»Okay, tun Sie das, Mr. Cross. Es wird nicht mehr lange dauern, das verspreche ich Ihnen.«
Ich unterbrach die Verbindung und hörte, wie mich Suko von der Seite her ansprach. »Und?«
»Es kann schon jetzt ein Problem geben.«
»Bens Tochter ist verschwunden?«
»Es hört sich so an.« Da Suko nicht viel mitbekommen hatte, berichtete ich ihm die Einzelheiten. Er wiegte mehrmals den Kopf.
»Ich kann Ben Cross verstehen, John. An seiner Stelle wäre ich auch besorgt.«
»Ich möchte das nicht so pessimistisch sehen.«
Er blieb bei seiner Meinung. »Vergiss nicht, weshalb wir unterwegs sind.«
»Ja, ja, trotzdem. Die Tochter ist eine erwachsene Frau. Sie kann überall hingegangen sein.«
»Wir werden es erleben.«
Ich spürte, wie sich in mir eine Spannung aufbaute. Zwar nahm der Fall noch keine konkreten Formen an, aber die innere Unruhe ließ sich bei mir leider nicht verleugnen.
Das Gesicht der Gegend änderte sich. Sie wurde hügeliger, ruhiger. Es gab keine größeren Orte mehr, sondern nur noch Kaffs, und zu dieser Kategorie zählte auch Gileston, das trotz der weit auseinander stehenden Häuser relativ klein wirkte. Die breiten Straßen führten an diesem Ort vorbei, der sehr sauber wirkte. Große Plakate an den Bäumen wiesen auf einen Jahrmarkt hin, den wir schließlich aus einer gewissen Entfernung zu sehen bekamen, denn all die Karussells und Buden waren auf der grünen Wiese aufgebaut worden. Der Rummel hatte noch nicht begonnen. Das würde erst am späten Nachmittag der Fall sein.
Und noch etwas nahm unsere Aufmerksamkeit in Anspruch. Wir wollten es kaum glauben, aber wir unterlagen keinem Irrtum. Als wir in Gileston eintrafen, kam uns ein Leichenwagen entgegen.
Suko fuhr automatisch langsamer, denn dieses Fahrzeug war ungewöhnlich. Es war ganz in Schwarz gehalten und sogar die Scheiben waren verdunkelt worden, aber das Fabrikat schien aus einem Museum für Oldtimer geholt worden zu sein. Ein englisches Fahrzeug war es nicht, denn sein Lenkrad befand sich auf der linken Seite.
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