Das Mond-Monster
hier normal helles Licht gehabt, dann hätte ich sicherlich gesehen, wie er langsam grau wurde und seine Gesichtsfarbe noch mehr verlor.
Er kam nicht weiter zurück. Dich hinter ihm befand sich die Wand und da konnte er nicht hindurchkriechen. So musste er weiterhin auf meinen Talisman schauen und schaffte es nicht, sich von diesem Anblick zu lösen.
Er fürchtete sich vor dem Kreuz. Es war bei ihm sogar mehr als Furcht. Man konnte schon von einer hündischen Angst sprechen, die ihn überfallen hatte. Er wäre am liebsten in sich zusammengekrochen, doch es gab kein Loch, durch das er hätte schlüpfen können.
Ich stand weiterhin vor einem Rätsel, denn ich fragte mich, warum Mike Derek sich vor dem Kreuz fürchtete. Eine Lösung kannte ich nicht. Die Angst war einfach da, aber sie wäre nicht bei einem normalen Menschen vorhanden gewesen. Vor dem Kreuz fürchteten sich nur Schwarzblüter und auch Personen, die eng mit ihnen in Verbindung standen. Ich merkte auch, dass sich das Metall noch immer leicht erwärmt hatte, und als ich noch einen kleinen Schritt auf Mike Derek zuging, da wurden seine Augen riesengroß.
Er zog die Beine an. Er wollte eine Schutz suchende Haltung annehmen, was ihm bei seiner Position mehr als schwer fiel. Ich sah, dass er zitterte. Überhaupt sah er aus wie jemand, der plötzlich Schmerzen bekommen hatte.
»Warum?«, fragte ich leise. »Warum hast du Angst? Was stört dich an dem Kreuz?«
»Ich hasse es!«
»Sag mir den Grund!«
Er zitterte weiter und schickte mir seinen Atem hechelnd entgegen. Dann sagte er etwas, das mich irritierte, aber ich ließ ihn ausreden. »Es ist Vollmond. Es ist die Phase. Es ist die Nacht, in der ich ein anderer werde. Ich weiß es. Nur ich. Deshalb habe ich mich zurückgezogen, denn ich werde in der Nacht zum Vampir. Nur immer dann, wenn der volle Mond am Himmel steht. Sonst nicht. Aber da brauche ich Blut. Ich trinke es auch. Ich hole mir das Blut von Tieren. Von den Menschen noch nicht, aber das kommt auch noch…«
Verdammt! Mit diesem Geständnis hatte ich nicht gerechnet. Mike Derek war kein normaler Mensch. Okay, dass er zu den Außenseitern gehörte, das war ihm anzusehen, aber mit einer derartigen Wendung des Falls hatte ich nicht gerechnet. Das schlug wirklich dem Fass den Boden aus. Kein normaler Mensch, auch wenn er so aussah.
Ich wusste nicht, ob ich Mitleid mit ihm haben sollte oder nicht. Zunächst beschloss ich abzuwarten und ließ die Hand mit dem Kreuz nach unten sinken.
»Sie glauben mir nicht, wie? Sie denken, dass ich Ihnen hier was erzählen will…«
»Nein, Mike, das glaube ich nicht. Du hast Glück gehabt, denn ich weiß sehr wohl, dass es auf dieser Welt Vampire ebenso gibt wie Menschen. Das ist schon klar. Aber du zählst dich weder zu der einen noch zu der anderen Seite – oder…?«
»Ja, ja…«
»Wie kommst du mit dir selbst zurecht?«, wollte ich wissen.
Er atmete wie ein Mensch, das fiel mir erst jetzt so richtig auf. »Ich habe Angst vor mir, hündische Angst. Nicht immer. Nur bei Vollmond. Da bricht der Keim dann hervor. Dann wird die Gier übermächtig. Darm brauche ich das Blut. Ich habe bisher noch keinen Menschen angegriffen, du musst es mir glauben, aber der Keim steckt immer in mir. Auch jetzt, wo ich mich nicht verwandelt habe.«
Dem konnte ich nicht widersprechen, denn ich hatte es durch mein Kreuz selbst gespürt. Und sein Anblick schien die andere Seite in Mike wieder stärker hervorgeholt zu haben.
Ja, er tat mir Leid. Er litt unter seinem Schicksal. Er hatte sich zurückgezogen, aber er war auf der anderen Seite auch sehr auffällig geworden, indem er diesen Leichenwagen fuhr und auch ansonsten recht auffällig aussah.
Okay, ich war gekommen, um das Mond-Monster zu jagen, und hatte einen Halbvampir getroffen, der unter seinem Schicksal litt. Ich wollte natürlich mehr wissen. Vor allen Dingen wollte ich herausbekommen, wie er zu diesem Zwitter geworden war. Genau die Frage stellte ich ihm und wartete auf eine Antwort.
»Es liegt schon zurück.«
»Wie lange?«
»Weiß ich nicht mehr. Ich habe mich schon immer für Vampire interessiert. Ich war sogar Musiker und bin als Vampir aufgetreten. Ich habe die Lieder vom Blut gesungen, von der Köstlichkeit dieses menschlichen Geschenks. Ich sehnte mich danach, zu einem Blutsauger zu werden, und habe sie überall gesucht. Ich wusste ja, dass es sie gibt. Man musste sie nur finden.«
»Du hast sie gefunden?«
»Genau!«
»Wie?«
Mike senkte den Kopf
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