Das Mond-Monster
stehen.
Immer wieder richtete er die Blicke aus den rot geäderten Augen gegen den Himmel, wo sich der Mond als perfekte Scheibe abmalte und ihm die nötige Kraft gab.
»Mike!«, sprach ich ihn an.
Er fuhr zu mir herum. Sein Körper geriet dabei in eine gleitende Bewegung. Die Hände musste er auf dem Rücken halten, aber er blieb auf den Beinen.
»Du kennst es, nicht?«
»Ja…«
»Wo ist es?«
Er schüttelte den Kopf.
»Weißt du es wirklich nicht?«
»Ich muss es suchen.«
Ich wusste nicht, ob ich mit der Antwort zufrieden sein sollte. Überhaupt war er als Vampir unberechenbar. Er würde uns nicht entkommen, aber er konnte uns auch hängen lassen, und das wäre alles andere als gut gewesen.
Außerdem befand sich der Rummel nicht zu weit entfernt. Er wurde durch die Menschen abgelenkt, in deren Adern das Blut floss, das er möglicherweise brauchte.
»Bring uns hin!«, forderte ich Mike auf. »Bring uns zu dem Mond-Monster. Du kennst es. Ihr seid euch irgendwo gleich, hast du gesagt. Okay, dann beweise es.«
»Du willst es töten, nicht wahr?«
»Ja, das will ich. Ich muss es vernichten und ich will auch die Frauen retten.«
»Sie sind tot!«, keuchte er mich an.
»Das weißt du?«
»Ja!«
»Woher?«
Ich hatte jetzt keine Zeit, auf meine Gefühle zu achten und stellte die Fragen so rasch wie möglich hintereinander.
»Ich spüre es!« Er hob den Kopf an. »Ich kann es riechen, Sinclair. Ich rieche den Tod.«
»Das möchten wir auch. Bring uns hin!«
Wir hatten nicht auf Ben Cross geachtet. Er hatte sich in unsere Nähe geschlichen und alles mitbekommen. Seine Reaktion konnten wir ihm nicht mal übel nehmen, er musste einfach davon ausgehen, dass auch seine Tochter nicht mehr lebte.
Da drehte er durch. Wir waren zu langsam. Er huschte an uns vorbei. Wir hörten ihn schreien und dann griff er den Gefesselten an. Er umfasste seine Kehle, brüllte ihn an, schüttelte ihn, schleuderte ihn zu Boden, zog seine Dienstwaffe und legte auf ihn an.
Suko schlug sie ihm aus der Hand. »Sind Sie irre, Cross? Lassen Sie das. Reißen Sie sich zusammen!«
Cross hatte Tränen in den Augen, als er sich umdrehte. Er umfasste das rechte Gelenk mit der linken Hand und der Atem drang stoßweise aus seinem Mund. »Es ist meine Tochter. Er weiß, dass die Entführten tot sind. Meine Tochter ist…«
»Es muss nicht sein, dass er Recht behält!«, sagte Suko, der die Dienstwaffe aufgehoben hatte und sie nun einsteckte. »Wir überzeugen uns lieber selbst.«
Ich kümmerte mich um Mike Derek, der zurückgewichen war und den Kopf schüttelte. Er zeigte mir seine Vampirzähne und wirkte sehr angriffslustig.
»Lass es sein, Mike. Du würdest verlieren, aber du kannst trotzdem gewinnen. Ich setze mein Kreuz nicht gegen dich ein. Ich könnte es tun und dich vernichten. Es wäre kein Problem für mich. Vampire sind nicht willkommen. Auch keine Halbvampire. Sie sind Parasiten der menschlichen Gesellschaft. Mein Kreuz würde dich von allem befreien, aber du wärst auch tot. Du allein hast es in der Hand, dass es dazu nicht kommt. Haben wir uns verstanden?«
»Ich weiß, was du willst. Das Mond-Monster.«
»Genau. Der Pakt ist klar. Ich lasse dich in Ruhe und du wirst mich zum Versteck des Monsters führen. Du kennst es, Mike. Ich spüre es. Ich sehe es dir an. Es ist dir nicht unbekannt. Als Vampir hast du eine Verbindung. Du selbst hast das Mond-Monster gesucht, um es von dieser Welt zu entfernen, damit du deine Ruhe hast. Wunderbar, einverstanden. Jetzt stehen wir sogar an deiner Seite.«
Mike hatte meinen Vorschlag gehört. Er musste jetzt einfach reagieren. Vor dem Kreuz hatte er einen höllischen Respekt. Auch wenn er mit seinem Schicksal haderte, er war keiner, der gern starb.
Ich drohte ihm noch einmal. »Wir finden das Monster auch ohne deine Hilfe. Irgendwann, aber das wirst du dann nicht mehr erleben…«
Mike wusste, dass es mir ernst war. Für einen kurzen Moment suchte er den Blickkontakt mit mir, dann sah ich, wie er nickte. »Ja, ich werde es so machen.«
»Wunderbar…«
»Aber ich töte es nicht.«
»Warum nicht?«
»Ich kann es nicht töten. Es gehört zu mir. Wir… haben Gemeinsamkeiten, die du nicht begreifen würdest. Ich liebe das Mondlicht ebenso. Auch er liebt es, aber er hat sich von ihm einfangen lassen. Es ist unter der Maske. Er hat es dort eingefangen. Er ist so alt. Er hat den Mond beschworen, um sich den Weg zu bahnen. Er hat das Licht für sich ausgenutzt und darauf gebaut. Er hat
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