Das Mond-Monster
es mit in sein Grab genommen, bevor er wieder zurückkehrte.«
»Du weißt das?«, fragte ich staunend.
»Ja.«
»Woher?«
»Weil er so alt ist. Er gehört einem alten Geschlecht an, denn er ist kein Mensch mehr, sondern ein Druide. Er braucht das Licht des Mondes, um leben zu können…«
»Und weiter…?«
»Er braucht noch mehr. Frauen – fünf Frauen. Fünf Menschen. Er hat sich für Frauen entschieden. Fünf Frauen – fünf, Sinclair.«
Ich begriff allmählich. »Es ist eine symbolträchtige Zahl, nicht wahr?«
»Ja, das ist sie.«
»Das Pentagramm!«, sagte ich. »Aber auch fünf Sinne hat der Mensch, er hat fünf Finger, fünf Wandelsterne stehen am Himmel…«
»Und es gibt fünf Qualen!«, belehrte Mike mich.
»Stimmt.«
Er war plötzlich in seinem Element und zählte sie mir der Reihe nach auf. »Tödliche Bitterkeit. Schreckliches Geheul. Furchtbare Finsternis. Unlöschbarer Durst und unausstehlicher Gestank. Das genau sind die leiblichen Qualen, die er seinen Opfern schickt. Das fünfte hat er sich in der letzten Nacht geholt. Wenn die anderen vier schon zuvor gestorben sind, so wird das fünfte Opfer in dieser Nacht an dem Gestank der letzten vier ersticken. Ich weiß es, Sinclair. Ich habe es erfahren. Ich hörte ihn. Ich hatte Kontakt. Er wusste, dass ich sein Feind bin, aber er wollte mich nicht als Feind anerkennen und deshalb hat er mir seinen Weg gezeigt. Der Druide wird sich befreien. Er bringt die Menschen als Opfer, um aus dem Mondlicht hervortreten zu können. Er will wieder so werden wie immer. Sein Kopf soll nicht mehr durch eine Maske verborgen bleiben. Er will wieder an den Ort zurückkehren, an dem er mal gelebt hat.«
»Das ist hier gewesen?«
»Ja, früher. Hier hat er sich dem Mondzauber hingegeben und auch den Kräften des Pentagramms. Das Fünfeck war für ihn lebensbestimmend und die Zahl fünf wird auch bleiben.«
»Also fünf Frauen.«
»Genau.«
»Was geschieht, wenn auch die fünfte Person gestorben ist?«
»Dann ist der Sinn des Mondpentagramms erfüllt und er wird wieder seine alte Macht zurückgewinnen. Er wird weiterhin leben, denn er hat dem Mond die Opfer gebracht, die er sich wünscht. Nur so kann er wieder frei sein.«
Ich konnte es noch immer nicht so recht fassen. »Und das hat er dir alles erzählt?«
»Ja, denn wir sind seelenverwandt. Ich gehörte in der Nacht auf die andere Seite. Ich will Blut, und ich werde es auch bekommen. Ich will mich von keinem stören lassen und ich wollte ihn töten, obwohl ich die Verwandtschaft zwischen uns spürte. Er war schneller als ich, und er hätte mich sogar vernichten können, aber er hat es nicht getan. Stattdessen…«
Ich wollte nicht wissen, was stattdessen geschehen war, sondern fragte: »Bist du schon bei ihm gewesen?«
»Nein!«
»Aber du weißt, wo er sich versteckt hält – oder?«
»Ich ahne es.«
»Wunderbar. Darm wirst du uns zu ihm führen.«
»Ich wäre ein Verräter. Ich habe nicht grundlos versucht, mich zu verstecken und…«
»Das weiß ich alles. Aber das Kreuz ist stärker als du. Muss ich dich daran noch erinnern? Du kannst dich entscheiden. Aber wir finden ihn auch ohne dich.«
Mike wusste, was da auf ihn zukam. Auch wenn er durch den Besuch in der Vampirwelt ein schlimmes Schicksal erlitten hatte, es zu tragen, war für ihn noch immer besser, als vernichtet zu werden. Deshalb zögerte er nicht mehr länger und nickte.
»Sehr gut«, sagte ich. »Und wo müssen wir hin?«
»In die alte Höhle bei den Klippen…«
***
Helen Cross krampfte sich zusammen. Sie konnte nicht mehr normal auf den Beinen stehen. Der Anblick war einfach scheußlich und auf der anderen Seite so schrecklich irreal. Eine Gestalt wie das Monstrum durfte es nicht geben und trotzdem existierte es und stand vor ihr.
Es besaß einen menschlichen Körper. Es stand auf zwei Beinen. Es hatte auch einen Kopf, doch er war nicht mit dem eines Menschen zu vergleichen, denn er bestand aus einem Viereck, von dem starre Haare wie Stacheln abstachen. Aus den Löchern der Maske strahlte das gelbliche Licht so kalt wie das der Sterne und Helen hatte das Gefühl, es auf der Haut zu spüren.
Ihr Blick glitt wieder hin zu der Sichel. Das Mond-Monster hatte seinen Arm nicht angehoben, sondern ihn sinken lassen und schaukelte den Arm jetzt vor und zurück. Es sprach nicht. Es war einfach nur da. Und diese Tatsache sorgte für eine große Angst, die Helen umklammert hielt. Sie sah keine Chance mehr, dem Unhold zu entwischen,
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