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Das Mondkind (German Edition)

Das Mondkind (German Edition)

Titel: Das Mondkind (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean Koontz
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der Küche ihr Mittagessen umsonst bekommt.
    Über etliche Tage verteilt bringt Amity ein ganzes Sortiment an Kosmetikprodukten mit, um sie in ihrem Spind zu verstauen. Einen Haartrockner. Ein paar T-Shirts und Pullover. Zwei Jeans. Socken, Unterwäsche. All das bewahrt sie dort zusammengefaltet in zwei großen Reisetaschen auf, damit es nicht zu sehen ist und ihr Spind, wenn sie ihn in Gegenwart anderer aufschließt, nicht wie ein Kleiderschrank aussieht.
    Jeden Tag erweckt sie am Ende ihrer Schicht den Eindruck fortzugehen, aber tatsächlich ist das ein reines Täuschungsmanöver. Sie kennt Dutzende von Stellen in diesem riesigen Gebäude, wo sie sich verstecken kann, bis Brode rick’s seine Türen für die Nacht schließt und der Wachmann, der als Letzter geht, die Alarmanlage eingeschaltet hat.
    Die Angestellten, die als Erste eintreffen – Lagerarbeiter, Wachleute, die Putzkolonne und ein paar Angestellte an den Empfangstresen –, bedienen die Stechuhr um sieben Uhr dreißig morgens, um alles für die Ladenöffnung um zehn Uhr vorzubereiten. Aber in den zehn Stunden davor hat Amity das Kaufhaus ganz für sich allein. Zehn Stunden herrlicher Einsamkeit und Sicherheit. An den Sonn- und Feiertagen gehört dieser prachtvolle Konsumtempel ihr natürlich Tag und Nacht ganz allein.
    Als das Phantom von Broderick’s kann sie im nachts beleuchteten Erdgeschoss und im Schein einer Taschenlampe in den drei Obergeschossen stundenlang einkaufen, wenn sie Lust dazu hat, sie kann schicke Kleider und anderes Zeug anprobieren, das sie niemals draußen tragen wird, und sie kann sich sämtlichen Fantasien hingeben, die durch dieses enorme Reich von Konsumgütern angespornt werden.
    Im Büro des Geschäftsführers im vierten Stock gibt es ein privates Badezimmer, wo sie duschen kann. Wenn sie anschließend alles mit einem Abzieher abwischt, ist die Duschkabine schon nach drei Stunden trocken und niemand merkt, dass sie sie benutzt hat.
    Die Küche des Restaurants ist fensterlos, und daher kann sie dort die Lichter einschalten, um sich ihre Mahlzeiten zu kochen. Normalerweise isst sie am Schreibtisch im Büro des Geschäftsführers, während sie ein Buch liest.
    Lesen ist ihre Lieblingsbeschäftigung, was auch schon für Daisy Jean Sims galt. In bestimmten Romanen stößt sie auf Wahrheiten, die sie in Sachbüchern nur selten findet. Daher liest sie auf ihrer Suche nach einem besseren Verständnis der Welt und ihres eigenen Lebens Romane, die eine Welt voller Wunder bereithalten, Licht und Schatten, für Augen, die bereit sind zu sehen.
    Wenn sie Lust auf frische Cashewnüsse oder auf edle Pralinen bekommt, hat ihr die Theke für süße Leckereien im Erdgeschoss eine reichliche Auswahl zu bieten.
    Sie nimmt sich im Broderick’s nichts außer Lebensmitteln und sie revanchiert sich dafür, indem sie Tische voller Pullover und Hosen und anderer Kleidungsstücke sortiert, die von den Kunden des vergangenen Tages in Unordnung gebracht wurden, indem sie Stellen, die von den hauseigenen Reinigungskräften nicht picobello zurückgelassen wurden, gründlich säubert und indem sie dafür sorgt, dass insbesondere das Eleanor’s geradezu blinkt.
    Während der vierzehn Monate, in denen sie hauptsächlich hier gelebt hat, hat sie ihre winzige Wohnung als Briefkasten und als einen Ort zum Wäschewaschen behalten. Ihre freien Tage sind Sonntag und Montag, aber sie verlässt das Kaufhaus immer nur am Montag. Dann schläft sie nachts in ihrer Wohnung und sehnt sich danach, wieder im Broderick’s zu sein.
    Sie hat diese Lebensweise nicht gewählt, um Geld für die Miete zu sparen, sondern in der Hoffnung, die Geborgenheit wiederzufinden, die sie kannte, bevor ihre Familie abgeschlachtet wurde. Das Leben auf der Straße hat sie abgehärtet, aber es hat das Gefühl von Beständigkeit und Dauer, das sie früher einmal genoss, nicht wieder aufkommen lassen.
    Vielleicht kann ihr nicht einmal Broderick’s diesen kostbarsten Aspekt ihrer Kindheit zurückgeben. Aber ganz allein innerhalb der Mauern des Kaufhauses fühlt sie sich sicherer als irgendwo sonst. Bis auf die Gelegenheiten, wenn Crispin ihr einen Besuch abstattet, beschränkt sich ihre Gesellschaft auf diejenigen, die sie in Büchern trifft, sowie auf eine Gemeinschaft von Schaufensterpuppen, denen sie in diversen Bekleidungsabteilungen begegnet, und in diesem Kreis kann ihr niemand ihre Jungfräulichkeit rauben oder sie töten. Ihr steht eine Wohnfläche von gut fünfunddreißigtausend

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