Das Mondkind (German Edition)
verhätscheln.«
»Ich werde sie fragen und ich wette, es hat ihr nicht gefallen.«
»Frag sie unbedingt danach, wenn sie das erste Mal aus Frankreich anruft.«
Verwirrt sagt Crispin: »Was soll das denn heißen – aus Frankreich?«
»Wenn du nicht eine so schreckliche Schlafmütze wärst, wüsstest du das selbst. Wir werden alle im Oktober nach Frankreich reisen. Heute Morgen sind Minos und Mrs. Frigg nach Paris geflogen, um das Haus dort vorzubereiten, und Mirabell ist mit ihnen gereist.«
Die Füllung des Mandelcroissants, die eben noch süß war, erscheint ihm plötzlich bitter. Er legt das Gebäck aus der Hand.
»Weshalb sollte Mirabell vor uns allen nach Frankreich fahren?«
»In dem Pariser Haus gibt es kein Schlafzimmer, das für ein kleines Mädchen eingerichtet ist«, erklärt Aralu. »Mr. Gregorio möchte aber, dass seine Tochter möglichst glücklich ist. Er hat deshalb die Anschaffung von allem genehmigt, was notwendig ist, damit sie die herrlichste Suite hat, die sie sich vorstellen kann. Sie musste also mit, um auszusuchen.«
»Das hört sich irgendwie nicht richtig an«, sagt Crispin.
»Was hört sich nicht richtig an?«
Er blickt finster. »Ich weiß es nicht.«
Ihre Hand gleitet sein Bein hinauf und sie drückt durch die Decke sein Knie. »Das ist goldrichtig. Mr. Gregorio ist ein großzügiger Mann.«
»Was ist mit mir und Harley? Wo werden wir schlafen, wenn wir dort ankommen?«
»Das Pariser Haus hat bereits Schlafzimmer, die für Jungen ausgestattet sind. Du wirst mit deinem Zimmer sehr zufrieden sein.«
Er hat sich aufgesetzt, als ihm das Frühstück serviert wurde. Jetzt lässt er sich wieder in den Kissenberg zurücksinken. »Ich will nicht nach Paris.«
»Unsinn. Das ist eine der grandiosesten Städte auf der ganzen Welt. Du willst doch bestimmt mal den Eiffelturm sehen, oder nicht?«
»Nein.«
Aralu lässt sein Knie los und steht von seiner Bettkante auf. »Ich schwöre es«, verkündet sie, »dir muss heute Morgen eine Laus über die Leber gelaufen sein. Mein guter Junge, Frankreich wird ein grandioses Abenteuer. Du wirst jede Minute davon genießen.«
»Ich spreche gar kein Französisch.«
»Das brauchst du auch nicht. Auf der ganzen Welt spricht jeder, der für Mr. Gregorio arbeitet, perfektes Englisch und auch andere Sprachen. Wenn du in Frankreich das Haus verlässt, wirst du immer einen Begleiter an deiner Seite haben, der für dich übersetzt. Und jetzt iss etwas zum Frühstück, Kind. Ich komme später wieder, um die Reste zu holen.«
Als er allein ist, stößt Crispin den Servierwagen weg, schleudert die Decke von sich und steht aus dem Bett auf. Er läuft unruhig im Zimmer umher und bleibt immer wieder an einem der Fenster stehen, um auf die Stadt hinauszublicken.
Seit ihm wieder eingefallen ist, dass er seiner Mutter, Mirabell und Proserpina im Nähzimmer nachspioniert hat, weiß der Junge, dass es noch etwas anderes gibt, was er vergessen hat. Doch es entzieht sich ihm.
Schließlich erinnert er sich daran, dass Nanny Sayo ihn und seinen Bruder während des Abendessens kurz aufgesucht hat, um zu berichten, ihre Schwester hätte Migräne und würde in ihrem Zimmer essen, wenn die Kopfschmerzen nachließen.
Macht euch keine Sorgen. Mirabell geht es bald wieder gut. Aber ihr dürft sie heute Abend nicht stören.
Er erinnert sich daran, dass er um neun Uhr ins Bett gegangen ist. Er war nicht schläfrig. Als Nanny nach ihm sah, hat er sich schlafend gestellt. Nachdem sie fortgegangen war, hat er die Uhr auf dem Nachttisch angestarrt, bis sie auf neun Uhr dreißig stand.
Danach erinnert er sich an nichts mehr. Überhaupt nichts. Also kann er doch nicht so wach gewesen sein, wie er dachte. Er muss schließlich eingeschlafen sein.
Im Badezimmer dreht er das Wasser so heiß auf, dass er es gerade noch aushält. Dann betritt er die geräumige Duschkabine, schließt die Tür hinter sich und atmet die dampfenden Schwaden tief ein.
Die Seife schäumt stark. Sonst benutzt er immer einen Waschlappen, um sich einzuseifen, aber plötzlich merkt er, dass er stattdessen seine Hände benutzt. Aus irgendwelchen Gründen, die er nicht ganz in Worte fassen kann, ist es ihm peinlich, sich selbst in dieser Form zu berühren, und er greift, wie üblich, auf den Waschlappen zurück.
Das Shampoo schäumt noch stärker als die Seife, und als er sich das Haar wäscht, schließt er die Augen, weil die Seifenlauge manchmal in den Augen brennt. Wie immer riecht das Shampoo schwach
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