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Das Mondkind (German Edition)

Das Mondkind (German Edition)

Titel: Das Mondkind (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean Koontz
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manchen Nächten und an manchen Nachmittagen unerwartet in Harleys Zimmer wieder, wo er auf der Bettkante sitzt und den Schlaf seines Bruders bewacht.
    Mr. Mordred unterrichtet die beiden Jungen nach wie vor zu Hause, aber seinen Lektionen mangelt es mehr denn je an Eifer und er gibt ihnen nie Hausaufgaben auf. Manchmal kommt es Crispin so vor, als hätte der Privatlehrer nicht die Absicht, ihnen etwas beizubringen, sondern als wollte er nur den Anschein von Schulunterricht aufrechterhalten. Als gäbe es nichts, wofür sie eine Ausbildung brauchen werden.
    Harley setzt seine Suche nach den drei weißen Katzen noch eine Zeitlang fort, aber Mitte August verliert er das Interesse daran.
    Crispin bekommt seine Mutter kaum zu Gesicht und sieht noch weniger von seinem Stiefvater. Diese seltenen Begegnungen bestätigen ihn in der außerordentlich bizarren Vorstellung, dass Theron Hall viel größer ist als die offiziell angegebenen Quadratmeter und dass es ständig größer wird.
    Nanny Sayo bekommt er oft zu sehen, sowohl im Wachen als auch in seinen Träumen. In wachem Zustand geht sie immer liebevoll mit ihm um und nimmt ihre Rolle als Elternersatz ernst. In seinen Träumen ist sie normalerweise dieselbe wie im wirklichen Leben, doch ab und zu überkommt sie eine plötzliche Wildheit und sie stürzt sich auf ihn, zerrt an seiner Kleidung und knabbert an seiner Kehle, ohne die Haut zu verletzen; all das tut sie auf eine Art und Weise, die Crispin erschreckt, ihn aber auch seltsam erregt.
    Manchmal sieht das Kindermädchen im Traum aus wie die echte Frau. Aber bei anderen Gelegenheiten ist einer ihrer Züge verändert: Einmal hat sie die gelben Augen einer Eidechse, ein andermal Reptilienzähne oder schuppige Hände mit wunderschönen Perlmuttklauen.
    Mirabell ruft wieder aus Paris an, einmal Ende August und einmal Mitte September. Sie spricht mit ihrer Mutter, mit Harley, mit Nanny Sayo und sogar mit Mr. Mordred. Als sie das erste Mal anruft, schläft Crispin morgens lange, und niemand denkt daran, ihn zu wecken. Bei ihrem zweiten Anruft liegt er mit dem geheimnisvollen Fieber im Bett, das nie länger als einen Tag anhält, ihn aber alle paar Wochen ereilt.
    Wenn er endlich aus Theron Hall flieht, wird er sich darüber wundern, dass ihm so viele Hinweise auf die Wahrheit dieses Ortes und seiner Bewohner gegeben wurden, ohne seinen Argwohn zu erregen, geschweige denn, ihn zu alarmieren. Wenn er tatsächlich verhext war, dann muss es ein Zauber gewesen sein, der seine Fähigkeit lähmte, in dem Netz, in dem er gefangen war, selbst die nächstliegenden Verknüpfungen herzustellen, Schlussfolgerungen aus klaren Anzeichen zu ziehen und Beweise für die Verschwörung in Erinnerung zu behalten.
    Zwei Tage nach Mirabells Verschwinden kommt Crispin aus dem Miniaturenzimmer und sieht, wie Jardena, die Matriarchin, vom Aufzug zur Tür ihrer Suite geht. Sie scheint ihn nicht wahrzunehmen, aber ihm fallen zwei Dinge an ihr auf.
    Erstens trägt sie immer noch eines ihrer langen dunklen Kleider, doch sie bewegt sich rasch und anmutig. Das bedächtige Schlurfen einer arthritischen alten Frau scheint von ihr abgefallen.
    Zweitens wirkt ihr Gesicht, auf das er einen flüchtigen Blick erhascht, jetzt nicht mehr wie ein schrumpeliger Apfel, sondern wie eine frischere Frucht; es ist das Gesicht einer Frau von vielleicht fünfzig Jahren und nicht mehr das einer Hundertjährigen.
    Wochen später, gegen Ende August, als Crispin aus einem Fenster sieht und seinen Tagträumen nachhängt, fährt eine Limousine vor der Haustür vor. Der Chauffeur ist einer hübschen Frau von vielleicht fünfunddreißig Jahren beim Aussteigen behilflich. Sie trägt ein maßgeschneidertes dunkles Kostüm, das ihrer Figur schmeichelt, und überwacht das Ausladen zahlreicher Einkaufstüten und Pakete aus dem Kofferraum des Fahrzeugs.
    Ned, der Juniorbutler, erscheint und eilt die Stufen vor dem Haus hinunter, um dem schwer beladenen Fahrer zu helfen. Als die Frau den beiden Männern auf den Stufen zur Haustür vorausgeht, ist Crispin verblüfft über ihre Ähnlichkeit mit der jungen Jardena, von der auf dem Klavier im Musikzimmer und anderswo im Haus gerahmte Fotografien zu sehen sind.
    Falls eine Enkelin oder Großnichte von Jardena zu Besuch gekommen sein sollte, erfährt Crispin nichts davon. Und er sieht sie auch nie wieder, bis zu einer Nacht Ende September.
    Dass ihn diese beiden Begegnungen nicht weiter beunruhigen, ist vielleicht noch verständlich. Weniger

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