Das Monopol
anderen an MacLean. Die Botschaft an MacLean war so unverständlich wie nur möglich, und der Empfänger würde wahrscheinlich kein Wort davon verstehen, aber sie würde ihren Zweck erfüllen – zumindest bestand eine winzige Chance, dass sie ihren Zweck erfüllte. Wenn sie Glück hatten. Sehr viel Glück. Und doch war es die einzige Möglichkeit, die Carlton einfiel. Er weihte Erika in den Plan ein, Pink jedoch ließ er über sein Vorhaben im Dunkeln.
Nach einem Spaziergang über Deck klopfte Carlton an Pinks Tür. Der CIA-Mann öffnete und blinzelte mit blutunterlaufenen Augen in die helle Sonne. Er sah ziemlich fertig aus und hatte offenbar in den Kleidern geschlafen.
»Schon was Neues rausgefunden?«
»Kaum.«
»Nun seien Sie mal ’n bisschen optimistischer! Kaum etwas ist besser als gar nichts.« Er folgte Pink ins Zimmer. Schnupperte. »Puh! Riecht aber streng hier.«
»Besser als Ihre verdammten Zigarren. Na, ich zeig Ihnen mal, was wir bis jetzt haben. Wo ist Erika?«
»In der Bibliothek.«
»Kommen Sie.« Pink schnappte sich einen Ordner und ging voran in die holzgetäfelte Schiffsbibliothek, wo Erika bereits mit untergeschlagenen Beinen auf einem bequemen Sofa saß, die Nase tief in einem Buch vergraben.
Da die Bibliothek mitten im Schiffsrumpf untergebracht war und weder Fenster noch Außenwände besaß, konnte sie von den Abhöreinrichtungen der NSA nicht belauscht werden. Carlton gesellte sich zu Erika aufs Sofa. Pink setzte sich in einen hellgrünen Sessel. Vor ihm war ein Kamin aus rotem Marmor, in dem echte Holzscheite glühten, abgeschirmt hinter Glas und flankiert von zwei hohen Bücherregalen.
Pink räusperte sich. »Wie ich schon sagte, wissen weder ich noch die anderen Mitarbeiter der Sektion Russland, wo diese Diamanten sind. Wir wissen nur, dass es sie gibt. Die russische Regierung hingegen weiß gar nichts von den Diamanten, geschweige denn, wo sie sich befinden. Das bedeutet, dass unsere Informanten dort uns nicht helfen können. Wir haben auch besprochen, dass die wenigen vorhandenen Beweise unter aller Sau sind, wenn Sie mir den Ausdruck verzeihen. Allerdings habe ich inzwischen Ordnung hineingebracht.«
Er reichte Carlton einige Papiere. »Ehrlich gesagt, glaub ich nicht, dass Sie viel damit anfangen können. Ich blick da nicht mehr durch.«
»Sie brüten schon zu lange über diesen Sachen. Sind zu dicht dran und können deshalb nicht mehr objektiv sein. Haben Sie ein bisschen Vertrauen zu uns Stümpern, die nicht bei der CIA sind.«
»Ich wollte damit nicht behaupten, dass …«
»Wollte Sie doch nur ’n bisschen triezen, Tom.« Carlton grinste ihn kurz an und überflog die Seiten. »Okay. Was suchen wir?«
»Einer unserer Agenten beim russischen militärischen Geheimdienst, dem GRU, ist an die Liste der Effekten gekommen, die in Leonid Pjaschinews Wohnung sichergestellt wurden. Sie müssen bedenken, dass Pjaschinew bis zu seinem Verschwinden vor wenigen Wochen Direktor des Diamantenkonsortiums Komdragmet gewesen ist. Auch wenn die Regierung offiziell nichts von den Diamanten wusste, Pjaschinew hat davon Kenntnis haben müssen. Er hielt ganz enge Verbindung zum KGB, der die Diamanten vor dem Zusammenbruch der Sowjetunion aus Russland herausschmuggelte. Der GRU hat rausgefunden, dass Pjaschinew für Waterboer arbeitete. Und vor dem Helikopterabsturz ist er zuletzt in Murmansk gesehen worden.«
»Und die Effektenliste?«
»Nichts. Null. Das ist ja der Bericht, den Sie da vor sich haben. Die Liste ist komplett. Plus Pjaschinews Lebenslauf. Und eine rätselhafte Notiz, die er offenbar kurz vor seinem Tod geschrieben hat. Ich versuch schon seit einer Woche, sie zu entschlüsseln.«
»Das müssen Sie uns schon übersetzen«, warf Erika ein.
»Auf Englisch heißt das: ›Russland, dritte Schicht. Sie dürfen es nicht bekommene«
»Nicht gerade hilfreich, was?«, meinte Erika.
»Wie schon gesagt, die Hinweise, die wir haben, sind dürftig.«
»Aber wenn das Pjaschinews letzte Worte waren, müssen sie irgendwas bedeuten. Vielleicht können wir Ihnen ja helfen, indem wir die Sache aus einer neuen Perspektive betrachten, die ein Fachmann wie Sie übersieht. Damit wollte ich Ihnen nicht zu nahe treten. Ich will ja nicht Ihre berufliche …«
»Ist schon gut. Schießen Sie los. Vielleicht kann ich dann endlich mal ’ne Mütze Schlaf kriegen.«
Vier Tassen Kaffee und eine halbe Flasche Tabletten hatte Fress heute schon geschluckt und war dadurch immer angespannter geworden.
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