Das Monopol
Wieder nahm er den Hörer ab. »Ja.«
»Colonel Lin von der NSA, Sir.«
»Ja.«
»Sir, wir haben einen Funkspruch von Carlton aufgefangen.«
»Wo und was?« Das war eher Befehl als Frage.
»Vom Atlantik, Sir. Ungefähr fünfhundert Meilen vor der Küste, Höhe Atlantic City. Der Anruf erfolgte über Satellitentelefon von einem Schiff und ging an MacLean in Los Angeles. Indem wir zwei Satelliten hintereinander schalteten, konnte unser System die …«
»Ersparen Sie mir das Fachchinesisch, Lin. Diese Leute sind Mörder. Senden Sie mir nur ein verschlüsseltes Transkript und ihre derzeitigen Koordinaten.«
Fress wartete, bis vor seinem Bildschirmschoner mit dem Weißen Haus das Icon erschien, das eine neue E-Mail anzeigte, dann öffnete er den elektronischen Brief und las das Transkript. Es ergab überhaupt keinen Sinn, aber die Supercomputer der NSA hatten das Stimmmuster bereits als das von Carlton identifiziert. Fress wählte nun eine Nummer, die er sehr häufig benutzte.
»Jones am Apparat.«
»Ich habe gerade Ihre Arbeit für Sie erledigt. Jetzt notieren Sie sich Folgendes: Carlton hat Atlantic City mit dem Schiff verlassen. Er befindet sich im Augenblick 450 Meilen vor der Küste.« Er gab Jones die Koordinaten durch. »Das ist Ihre letzte Chance. Wenn Sie’s wieder vergeigen, dann werde ich … na, Sie wissen schon.«
42.
Der Vollstrecker
Atlantic Star
Atlantischer Ozean
632 Meilen östlich von Atlantic City, 21.02 Uhr
Als Chef von Fress’ geheimer Eingreiftruppe hatte Jones schon dreimal versagt. Vielmehr, seine Männer hatten versagt. Das erste Mal in Carltons Wohnung. Das zweite Mal an der Wilson Bridge. Und ein drittes Mal in Atlantic City. Deshalb übernahm er jetzt den Auftrag selbst.
Jones war ein Schurke. Früher hatte er bei einer Einheit gedient, die so geheim war, dass nicht einmal eine Liste der Namen ihrer Mitglieder existierte, weder in den Akten der CIA, DIA, NSA, NRO noch bei anderen Diensten, die selber nicht gerade für Offenheit berühmt waren. Jones besaß keinen richtigen Pass, dafür aber viele Geheimidentitäten. An diesem Nachmittag schlüpfte er in seine Rolle als FBI-Pilot. Als solcher flog er routinemäßig Flugzeuge der Behörde, wenn Einsätze gegen Terroristen anstanden. Es war schon erschreckend, wie leicht es Jones fiel, den Learjet für eine Routinemission zu bekommen.
Am FBI-eigenen Hangar auf dem Flughafen La Guardia in New York ging er einfach zum Flugkoordinator, zeigte seine ID- Karte vor und bat um Erlaubnis. Er lächelte, gab sich aber Mühe, nicht zu freundlich zu wirken. Bald schon saß er in einer Lear U-36A. Die Maschine war zum Übungsflugzeug umfunktioniert worden, um den Umgang mit Schiffsabwehrraketen zu trainieren. Jones musste nur noch das Übungsgeschoss gegen ein scharfes Geschütz austauschen; das hatte bereits einer seiner Leute besorgt.
Zwischen Wolkenfetzen leuchtete immer wieder der Vollmond aufs Meer. Dreieinhalb Stunden später suchte Jones auf seinem vielfarbigen Radarschirm nach Objekten und konzentrierte sich auf sein Ziel, einen grünen Punkt hundert Meilen östlich.
Die Atlantic Star.
Nur noch ein paar Minuten.
Anders als die Militärjets gab es bei dem Übungsflugzeug keine Möglichkeit, das Ziel in die Rakete einzuprogrammieren. Jones durfte erst dann feuern, wenn er sein Ziel vor Augen hatte. Er hatte nur ein einziges Geschoss zur Verfügung, was ihn aber nicht sonderlich störte.
Er löste den Sicherheitsrast vom Kontrollschalter – dem »Pickle« – und wartete, bis er in Schussweite war.
Jones tauchte unter die Wolken, ging in Zielposition. Er war so nah an der Jacht, dass er die Positionslampen und die hell erleuchteten Aufbauten erkennen konnte. Die Star kam in raschem Tempo auf ihn zu. Er richtete sein Head-up-Display auf die Jacht aus und drückte mit aller Kraft auf den Pickle.
Das Flugzeug zitterte. Ein Blitz zuckte auf, gefolgt von einer grellweißen Rauchwolke, als die Luft-Wasser-Rakete sich unter dem Rumpf der Lear löste und auf das hilflose Schiff zuschoss. Ein paar Sekunden lang war sie nicht mehr zu sehen. Jones fragte sich schon, ob er sein Ziel verfehlt hatte, doch in diesem Augenblick wurde die Atlantic Star zu einem riesigen Feuerball, der den stillen schwarzen Ozean über Meilen hinweg erhellte. Innerhalb von Minuten war das Feuer wieder erloschen, und die beiden Hälften des schlanken Schiffsrumpfs versanken in den eisigen Wassern des Atlantiks, als hätte es die Jacht nie
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