Das Monopol
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Leutnant Cristina Petronelli von der Guarda di Finanza sah nicht besonders gut aus, war dafür aber ungewöhnlich gierig. Die Mittzwanzigerin hatte wenig Lust, auf die nach Verdienst gestaffelten Beförderungen zu warten. Signorina Petronelli war nicht übermäßig intelligent, aber selbst sie begriff, dass die Bestechungsgelder, auf die sie es abgesehen hatte, erst nach einer ganzen Reihe von Beförderungen erlangt werden konnten. Doch die schwarzhaarige Frau mit dem Schmollmund und den schlechten Manieren hatte ein heißes Eisen im Feuer: ihren derzeitigen Posten. Cristina Petronelli war für die Bewachung der versiegelten römischen Zentrale der Banco Napolitana Lucchese zuständig.
Heute hatte sie ihre Uniform zu Hause gelassen. Erstens war es ihr freier Tag. Zweitens wäre es äußerst unklug, in Uniform gesehen zu werden, wenn sie eine Verabredung mit einem der korruptesten Paten von ganz Europa hatte. Als sie die wuchtige Treppe des Villa Igea Grand Hotels hinaufstieg, spürte sie weder Furcht noch Vorahnung. Zwei Männer starrten sie an, als sie die prächtig ausgestattete Halle betrat. Cristina Petronelli lächelte, denn sie glaubte, die beiden Leibwächter hätten Interesse an ihr. Vor allem aber dachte sie an Geld: Für das, was sie tun sollte, würde der Don sie fürstlich bezahlen. Sie sah ihn sofort, als sie den Innenhof voller Oleander und Jasmin betrat. Der Don saß unter einer hohen Palme; um ihn her standen seine Leibwächter. Einer der Männer – ein Bursche namens Enzo, der Chef der Bodyguards des Paten – kam auf Christina zu, bedeutete ihr mit einer herrischen Geste, stehen zu bleiben, und durchsuchte sie fachmännisch nach Waffen. Als er nichts fand, führte er sie zu einem Stuhl, der dem breitschultrigen Don gegenüberstand. Cristina blieb stehen, während der Mafiaboss sie prüfend musterte. Nach endlos erscheinenden Sekunden lächelte er. »Buon giorno, signorina«, grüßte er, ohne aufzustehen, und wies auf den Stuhl. »Prego.«
»Si«, erwiderte Cristina knapp und setzte sich.
Der Don, der eine derartige Respektlosigkeit nicht gewöhnt war, starrte sie finster an. »Grazie, Don Arcangelo«, sagte er betont langsam, als brächte er einem kleinen Kind Benehmen bei.
Der Blick des Mannes ließ Cristina frösteln. Dann wiederholte sie folgsam dessen Worte.
Don Arcangelo nickte zufrieden und lehnte sich zurück. »Belle. Sagen Sie, signorina, lieben Sie Ihren Job?«
»Überhaupt nicht.«
»Und warum nicht?« Er wandte sich an den Kellner. »Alfredo, bring uns Regaleali. Und ein Glas für die signorina.«
»Ich möchte keinen … es tut mir Leid, Don Arcangelo, aber ich trinke keinen Wein.«
»Unsinn«, sagte der Don und musterte sie frostig. »Der Wein wird Ihnen schmecken.« Es klang wie ein Vorschlag, aber Cristina spürte ganz genau, dass es ein Befehl war. Sie begann zu schwitzen.
»Und warum mögen Sie Ihren Job nicht?«, fragte der Don.
»Ich verdiene nicht genug, Don Arcangelo.«
Der Don seufzte und nickte, als hätte er aufrichtig Mitleid. »Si. Vielleicht können wir etwas für Sie tun.«
»Was soll ich für Sie tun, Don Arcangelo?«, brach es aus Cristina heraus.
»Diese ungeduldige Jugend, kommt immer gleich zur Sache.« Der Pate wedelte mir der Hand. »Piano, piano. Sie müssen lernen, mehr Geduld zu haben. Alles zu seiner Zeit.«
»Si, Don Arcangelo.«
»Nun denn, da Sie so ungeduldig sind, werde ich Ihnen sofort sagen, was Sie für mich tun können.« Er sprach mit leiser Stimme, leicht vorgebeugt.
Cristina beugte sich ebenfalls vor. Beim Gedanken an den Verdienst leckte sie sich die Lippen. »Ja?«
»Ich kann Ihnen die Aufgabe nur dann anvertrauen, wenn Sie mir zusagen, dass Sie sie auch erfüllen.«
»Aber wie kann ich das zusagen, wenn ich nicht weiß, worum es sich handelt?«
»Ich kann Ihnen nur so viel verraten, dass es 250.000 Euro einbringt.«
Cristina riss die Augen auf und wollte etwas erwidern, brachte aber kein Wort heraus.
»Nehmen Sie an? Habe ich Ihr Wort, dass Sie zusagen, wenn ich Ihnen den Auftrag erteile?«
»Ja, natürlich. Ich nehme an. Von ganzem Herzen, Don Arcangelo.«
»Schön. Sie sollen die Hintertür der Banco Napolitana Lucchese öffnen. Dort warten meine Männer. Sie werden Ihnen ein paar Dinge geben, darunter ein Handy, das Sie an einer bestimmten Stelle im Gebäude platzieren. Dann gehen Sie wie gewöhnlich am Ende Ihrer Schicht.«
Petronelli starrte den Paten an. So einfach war das? Diesen Job hätte sie für
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