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Das Monopol

Titel: Das Monopol Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicolas Kublicki
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vor Gericht wird.«
    »Daran hatte ich auch schon gedacht, aber zwanzig Millionen sind eine verdammte Menge Geld, um einer Verhandlung zu entgehen. Besonders für eine völlig unbekannte Firma. Was könnte so ein Unternehmen denn schon verlieren, wenn sein Fall vor Gericht kommt? Auf jeden Fall weniger als zwanzig Millionen!«
    »Was wollen Sie tun?«
    »Ich weiß es noch nicht, aber eins kann ich Ihnen jetzt schon versprechen. Stalin kann sagen, was er will, ich bleibe an der Sache dran.«
     

    10.
    Der Händler
     
    Via Rodeo Shopping Center
    Rodeo Drive
    Beverly Hills, Kalifornien, 10.05 Uhr
     
    MacLean ließ sich vom Chauffeur seiner englischen Bentley-Limousine am Einkaufszentrum Via Rodeo in Beverly Hills absetzen. An Touristen vorbei schritt er über Kopfsteinpflaster, das wohl an eine Fußgängerzone in Europa erinnern sollte. Auf der anderen Straßenseite befand sich die Filiale von Tiffany’s; in den Vitrinen waren atemberaubende Brillanten ausgestellt. Davor standen Männer und Frauen, in sehnsüchtige Betrachtung dieser Verkörperungen eines Versprechens ewiger Liebe versunken.
    MacLean ging auf ein rotes Backsteingebäude zu, das gegenüber von Tiffany’s lag. Mit straff zurückgekämmtem Haar, hellbraunem Mantel, dunkelblauem Wollschal und glänzenden schwarzen Schnürschuhen wirkte er eher wie ein Filmstar aus den Dreißigerjahren denn wie der Besitzer eines multinationalen Konzerns. Die Leute musterten ihn verwundert. MacLean war sicher, dass sie glaubten, ihn irgendwoher zu kennen, und nun überlegten, wo sie ihn schon mal gesehen hatten.
    Der Fahrstuhl brachte ihn rasch zum Firmensitz von Cohen Diamonds im zweiten Stock. Er nannte der attraktiven Empfangsdame seinen Namen, und sie gab ihn mit gedämpfter Stimme über ihr Headsetmikrofon weiter. Bald erschien ein älterer Mann mit stark gelichtetem weißem Haar und hieß ihn mit offenen Armen willkommen.
    »Maximillian! Komm rein, komm rein.« Sein Englisch war makellos, wenn auch mit starkem polnischen Akzent gefärbt.
    »Abe.« MacLean ergriff Abraham Cohens weiche, faltige Hand und wurde in eine feste Umarmung gezogen. Es freute ihn, dass ein Mann von fünfundachtzig Jahren noch solche Kraft besaß.
    »Ich bin froh, dich zu sehen. Du siehst gut aus. Immer ganz der Gentleman, wie aus dem Ei gepellt.« Cohens warmes Lächeln reichte bis zu den blassblauen Augen. »Komm. Wollen es uns mal gemütlich machen.«
    Abraham Cohen ging leicht vornübergebeugt, mit kurzen schnellen Schritten. Er erinnerte ein wenig an einen zerstreuten Professor. Sie schritten über einen kurzen Flur, an einigen Büros vorbei. Männer in schwarzen Anzügen und weißen Hemden, die meisten von ihnen mit Jarmulkas – jüdischen Käppis schauten neugierig von ihren beleuchteten Lupen auf, bevor sie sich wieder den funkelnden Steinen zuwandten, die vor ihnen auf dem Tisch lagen.
    Am Ende des Gangs lag Cohens Chefbüro. Er winkte MacLean herein, wies einladend auf den hölzernen Besucherstuhl vor dem weißen Schreibtisch und schloss die Tür. »Setz dich bitte. Möchtest du Tee? Wie geht es Claire?«
    »Ja, bitte. Claire ist wunderschön – wie immer.« »Sie ist eine wunderbare Frau.« Cohen strahlte Autorität aus, die von seinem Lächeln und den etwas altertümlich wirkenden Manieren nur zum Teil kaschiert wurde. MacLean schaute ihm zu, wie er Tee einschenkte. Cohen brauchte keine Brille, eine Seltenheit bei einem Mann in seinem Alter. Die Einrichtung seines Büros war betont schlicht; ein Zeichen dafür, wie sehr Cohen seiner Arbeit verpflichtet war – überflüssigen Dekor hätte er nur als störend betrachtet. Er trug eine dunkelgraue weite Hose und ein weißes Hemd, dessen oberster Knopf offen stand. Die Ärmel waren hochgekrempelt. Ein schlichter schwarzer, jedoch teurer Kugelschreiber steckte in seiner Brusttasche. Außer einer alten Omega-Armbanduhr und einem Goldring trug er keinen Schmuck. Der Ring war eine Erinnerung an seine Frau, die schon vor Jahren gestorben war. MacLeans Blick fiel auf ein paar schwarze Buchstaben und Zahlen auf seinem rechten Arm. Die schmerzliche Erinnerung an Dachau.
    MacLean hatte Cohens Tätowierung schon viele Male gesehen, und jedes Mal stimmte sie ihn traurig. Sechs Millionen Juden, von den Nazis ausgelöscht, dazu Millionen nichtjüdischer Polen, Zigeuner, Homosexueller, geistig oder körperlich Behinderter und ungezählte andere. Und viele Zeitgenossen wissen es nicht einmal. Oder noch schlimmer: Sie leugnen es.
    MacLeans Vater

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