Das Monopol
Giancarlo Innocenti diente als sehr junger Hauptmann in der amerikanischen Armee, als sein Regiment 1945 das KZ Dachau befreite. Er war stolz darauf, für sein Vaterland zu kämpfen, aber er war auch klug genug gewesen, Beziehungen zu nutzen, um schneller befördert zu werden. In Dachau erkannte er rasch, dass einige Häftlinge verhungern mussten, würden sie nicht innerhalb kürzester Zeit medizinisch betreut. Und es konnte noch Tage dauern, bis der Tross von Ärzten und Schwestern im Lager eintraf. Gegen die strenge Order seiner Vorgesetzten, dass die Gefangenen nicht verlegt werden sollten, bevor die Erlaubnis von höherer Stelle gegeben wurde, beschloss Innocenti, die schwersten Fälle in ein Militärkrankenhaus ausfliegen zu lassen. Dort kamen die meisten von ihnen wieder zu Kräften. Viele andere hatten diese Chance nicht. Innocenti kümmerte sich besonders um den jungen Abraham Cohen, der ihm aufgefallen war, weil er der einzige Pole im Lager war. Ungewöhnlich, denn die meisten Polen waren von den Nazis nach Auschwitz geschafft worden. Innocenti und Cohen waren ungefähr im gleichen Alter. Später half Innocenti seinem polnischen Freund, nach Amerika überzusiedeln.
»Möge Gott dich und deine Familie segnen.« Unter Cohens warmem Lächeln verflog MacLeans traurige Stimmung. »Ich bin froh, dass du gekommen bist. Claire kommt auch dann und wann, sagt Hallo und bringt Kuchen mit. Sag es ihr nicht, aber den Kuchen gebe ich meinen Angestellten – in meinem Alter ist zu viel Zucker schädlich für die Gesundheit. Und wie steht es bei dir? Wir haben uns lange nicht gesehen.«
»Fast ein Jahr. Nur kurz nach den Flitterwochen. Ich hatte sehr viel zu tun.«
»Das brauchst du mir nicht zu sagen. Was ist mit Kindern? Ist schon etwas unterwegs?«
»Wir denken darüber nach.«
»Ihr solltet lieber weniger denken und mehr tun.« Cohen schmunzelte und lehnte sich im Sessel zurück. »Also, was kann ich für dich tun?« Er tippte sich mit dem Finger an die Schläfe. »Irgendwas sagt diesem alten Kopf, dass es um Geschäfte geht. Habe ich Recht?«
MacLean grinste. »Dir entgeht auch nichts.«
»Kaum etwas.«
MacLean stellte seine Tasse hin. »Letzte Woche kam Dan Wenzel mit einer ziemlich außergewöhnlichen Nachricht zu mir.«
Er zog einen schwarzen Samtbeutel aus der Jacketttasche, schüttete den Inhalt sorgsam in seine Hand, breitete ihn dann auf dem Samt aus und schob ihn Cohen zu.
Der Händler hob schweigend den Samt hoch und schwenkte ihn langsam unter einem beleuchteten Vergrößerungsglas hin und her. Gebannt betrachtete er die drei kaffeebohnengroßen Rohdiamanten, die auf dem Samt von einer Seite zur anderen rollten. Ohne den Kopf zu heben, schaute er MacLean an. »Woher?«
»Arkansas.«
»Aus Murfreesboro? Crater of Diamonds Park?«
»Nahe dran, aber nicht ganz. Dan hat einem Farmer aus der Gegend Land abgekauft. Danach hat der Farmer ihm eine alte geologische Karte gezeigt.«
»Wie alt?«
»Aus den Zwanzigern.«
»Eine Karte des Amtes für geologische Aufnahmen?«
»Ja. Woher weißt …«
»Erzähl weiter.«
»Der Karte zufolge sind auf dem Land reiche Lagerstätten ausgewiesen. Dan hat dem Farmer nicht geglaubt. Da hat er ihm zum Beweis die hier gezeigt.« Er deutete auf die Diamanten. »Wir haben weitere Gesteinsproben nehmen lassen und beschlossen, mit dem Abbau zu beginnen.«
Cohen lehnte sich zurück, schaute MacLean an. Dann presste er die Lippen zusammen und schüttelte ernst und besorgt den Kopf. »Nein, Maximillian. Nein.«
»Was soll das heißen, nein?«
»Diamantenhändler sind eine verschwiegene Gemeinschaft. Wir leiden unter Verfolgungswahn, von Natur aus, auf Grund von Routine und Erfahrung. Wir misstrauen Leuten außerhalb der Branche. Offen sind wir nur zu unserer eigenen Familie. Und dazu gehören für mich die Innocentis und die MacLeans. Du magst zwar ein cleverer Geschäftsmann sein und schöne Steine mögen, aber Edelsteine und das Geschäft mit Edelsteinen sind zwei ganz verschiedene Dinge. Wir in der Diamantenbranche sagen: ›Wenn du dich mit Diamanten nicht auskennst, dann such einen Händler, der Bescheid weiß.‹ Und wir kennen uns doch gut, nicht wahr?«
»Natürlich, ja.«
»Du bist ein reicher Mann. Besitzt Restaurantketten, eine Import-Exportfirma, Hotels …«
»Ja.«
»Und eine sehr schöne Frau, die schon bald kleine MacLeans bekommen wird.«
»Abe, ich …«
Cohen beugte sich über den Schreibtisch und nahm MacLeans Hand. »Du bist wie ein Sohn für
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