Das Monopol
Diamanten zu erwerben, und nun zahlen sie bis zu zwei Monatsgehälter für einen Stein, der aus reinem Kohlenstoff besteht. Die Regel mit den zwei Monatsgehältern ist übrigens auch eine Erfindung von Waterboer.«
»Was wollen Sie damit sagen? Dass Diamanten gar nicht so selten sind?«
»Ich habe es zuerst auch nicht glauben wollen, aber sie sind wirklich nicht so selten. Wie gesagt, bestehen sie aus Kohlenstoff, der unter gewaltigem Druck und hohen Temperaturen zusammengepresst wurde. Heutzutage werden so viele Diamanten abgebaut, dass Waterboer mit dem Aufkauf und der Lagerung kaum nachkommt, um eine Überschwemmung des Marktes zu verhindern. Ständig werden neue Minen gegraben, vor kurzem zum Beispiel in Kanada. Waterboer hält Milliarden Karat unter Verschluss, damit die Steine Seltenheitswert behalten, denn selten bedeutet teuer. Angebot und Nachfrage. Deshalb kann dieser Monopolist so viel mehr verlangen, als die Diamanten tatsächlich wert sind.
Waterboer hat auch den Wettbewerb im Weiterverkauf ausgeschaltet. Man kann Diamanten zwar kaufen, aber nicht mehr verkaufen. Falls sie nicht so außergewöhnlich sind, dass sie wirklich Seltenheitswert besitzen – wie die Steine, die für Millionen Dollar auf Auktionen verkauft werden.«
»Ich kann Ihnen nicht ganz folgen.«
»Sie können einen Diamanten nicht an Ihren Juwelier zurückverkaufen, jedenfalls nicht zu dem Preis, den Sie bezahlt haben. Es gibt auf der Welt nur etwa hundertsechzig Leute, die Rohdiamanten direkt von Waterboer beziehen dürfen. Jedes Jahr hält Waterboer ein Dutzend Verkaufsveranstaltungen ab – und zwar in London, um die Monopolbestimmungen der USA zu umgehen. Die meisten Käufer sind Diamantschleifer, die an Einzelhändler weiterverkaufen. Manche sind Makler, die an Schleifer verkaufen, wenn diese nicht zum Direktkauf berechtigt sind. Waterboer verkauft auch vorgeschliffene Steine. Versuchen Sie mal, einen Diamanten zum Verkaufspreis an einen der großen Juweliere zurückzuverkaufen. Sie werden ausgelacht – so wie ich, als ich mich erkundigt habe.«
»Wie bei einem Autohändler.«
»Nein. Ein Auto nutzt sich ab. Es hat eine begrenzte Haltbarkeit. Irgendwann wird es reif für den Schrott. Und es kommen ständig neue Modelle auf den Markt. Dauernd bastelt man an der Sicherheit herum, an Abgasfiltern, Senkung des Benzinverbrauchs. Diamanten hingegen verändern sich nicht.«
»Kapitalismus und Werbung. Dasselbe könnten Sie auch über Spülmittel sagen.«
Erika beugte sich vor. »Aber falls Sie nicht gern von Papptellern essen, brauchen Sie Palmolive wirklich. Außerdem kriegen Sie zarte Hände davon. Und der Waschmittelkonzern, der Palmolive herstellt, hat nie Menschen versklavt.«
Carlton starrte sie an. »Versklavt?«
Erika nickte. »Das ist der Punkt, wo es wirklich abscheulich wird. Waterboer brauchte zu Zeiten des Diamantenbooms ungelernte Arbeiter, die tausende von Fuß tief in den Minen schuften mussten. Doch in Südafrika gab es kaum Hilfsarbeiter. Die Weißen verlangten zu hohe Löhne, also nahm Waterboer die Schwarzen aufs Korn. Die meisten waren selbstständige Farmer, die keinerlei Veranlassung sahen, in die Minen zu gehen. Also zwang Waterboer die Regierung, den Schwarzen Steuern aufzuerlegen, um sie von ihren Farmen zu vertreiben. Die Schwarzen lebten bis dahin vom Tauschhandel und hatten gar kein Bargeld zur Verfügung. Nun aber waren sie gezwungen, sich Arbeit zu suchen, um Geld zu verdienen. Aber wer stellte schon ungelernte schwarze Bauern ein? Na, wer wohl? Zufällig hatte Waterboer großen Bedarf. Die Schwarzen ließen Frauen und Kinder zurück und zogen los. In den Minen wurden sie mit anderen Arbeitern in Betonbaracken gepfercht. Menschenunwürdige Bedingungen. Schlangenfraß. Eingesperrt wie Tiere.»
„Sklaverei …“
„Manchmal noch schlimmer. Den Arbeitern war es nicht gestattet, ihre Arbeitsstätte während der Dauer ihres Arbeitsvertrags zu verlassen. Frauen waren in den Baracken nicht gestattet. Die Bürgerrechte waren ihnen genommen worden. Sie konnten jederzeit vor aller Augen entkleidet und in sämtlichen Körperöffnungen durchsucht werden.“
„Die Vorteile der Apartheid.“ Carlton schüttelte angewidert den Kopf.
„Und diese Praxis war noch wenige Jahre vor Mandelas Amtsantritt üblich.“ Erika zog eine prall gefüllte Mappe aus ihrem Aktenkoffer und legte sie auf den Tisch. „Hier haben Sie alles. Meine gesamten Recherchen. Ich hatte nicht die Zeit, alles zu lesen, also habe ich
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