Das Monopol
Während der Unabhängigkeitsbewegungen in den Sechzigerjahren schmiedete Waterboer Allianzen mit Diktatoren, die die Produktion ihrer Länder mit eiserner Faust beherrschten. In den angolanischen Bürgerkriegen Ende der 70er und Anfang der 90er, sogar heute noch, wird in den dortigen Minen eine Überproduktion eingefahren. Und doch hat Waterboer hunderte Millionen Dollar ausgegeben, um den Markt auf jede erdenkliche Art zu schützen.«
»Aber wenn die Lager wachsen, muss der Preis doch fallen.«
»Sollte man annehmen. Aber zu dem Zeitpunkt hatte Waterboer bereits den weltweiten Abbau unter Kontrolle und begann selbst eine gewaltige Menge an Diamanten auf Halde zu legen.«
»Gab es denn keine Konkurrenten?«
»Anfangs ja. Aber Waterboer hatte ein so riesiges Lager angehäuft, dass das Unternehmen den Markt steuern und Konkurrenten matt setzen konnte. Sich diesem Imperium entgegenzustellen wäre ungefähr so, als wollte ein kleiner Autohersteller die Produktion aufnehmen und es mit Automobilriesen wie General Motors, Ford und Chrysler aufnehmen. Nicht einmal bei uns in den Vereinigten Staaten war es möglich, sich gegen die großen Automobilhersteller durchzusetzen, wie die Tucker Company vor fünfzig oder sechzig Jahren erfahren musste, obwohl ihre Autos der Zeit voraus waren.«
Carlton verputzte die Reste seines Burgers und machte sich über die fettigen Pommes her.
Anspannung, vermutete Erika, während sie an ihrem Chardonnay nippte.
»Aber das ist nur eine Seite von Waterboers Unternehmensstrategie. Bis in die Zwanzigerjahre gab es eigentlich keinen richtigen Markt für Diamanten. Man fand die Steine schön, doch verglichen mit Smaragden, Rubinen und Saphiren ziemlich langweilig. Waterboer musste also die Nachfrage steigern und benutzte jeden Trick, um Brillanten ins Bewusstsein der Leute zu zwingen.«
»Zum Beispiel?«
»Sämtliche Werbestrategien werden heute noch in ähnlicher Weise angewandt. Filmproduzenten aus Hollywood erhielten kostenlos Steine, um sie an bevorzugter Stelle im Film zu platzieren. Waterboer trat als Sponsor für Drehbuchautoren auf, damit sie in den Skripts Diamanten als Sinnbild für Eleganz, Attraktivität und Romantik darstellten. Die Reichen und Berühmten bekamen Juwelen, sodass die Klatschgazetten Fotos bringen konnten, auf denen Amerikas Elite mit Brillanten geschmückt zu sehen war. Und Waterboer startete eine riesige Werbekampagne, um den Leuten einzutrichtern, ein Diamant sei ein unverzichtbares Symbol für die Eckpunkte einer Beziehung: Verlobung, Heirat, wichtige Hochzeitstage.«
»›Ein Diamant ist Schönheit. ‹«
»Genau. Ein Mann sollte glauben, er müsse einen Verlobungsring mit Diamant kaufen, damit seine Angebetete weiß, dass er sie wirklich liebt.« Erika hielt ihre linke Hand hoch. »Können Sie sich vorstellen, was passiert, wenn Sie Ihrer Verlobten einen Ring ohne Brillant schenken?«
»Verlobte?« Carlton grinste. »Ich habe nicht mal eine Freundin.«
Nun grinste auch Erika. »Es sollte ja nur ein Beispiel sein. Aber überlegen Sie mal, weshalb das so ist. Warum würden Sie ohne nachzudenken einen Brillantring kaufen? Warum keinen Rubin? War nicht Rot immer die Farbe der Liebe?«
»Ich weiß nicht. Ist halt Tradition, nehme ich an.«
»Das denken die meisten, ja. Aber diese Tradition ist gerade mal hundert Jahre alt. In der Zeit davor kauften die Männer genauso gern einen Smaragd, einen Saphir oder einen Rubin. Diese Steine sind viel seltener als Diamanten und genauso schön, wenn nicht schöner. Aber heutzutage kaufen Männer wie selbstverständlich einen Brillanten und schauen gar nicht nach anderen Edelsteinen. Und Frauen erwarten, ja fordern Brillanten, selbst wenn sie persönlich Saphire, Rubine oder Smaragde vorziehen, denn ›Diamonds are a girl’s best friend‹, wie es so schön heißt. Dabei kann ein Smaragd, beispielsweise, viel teurer sein. Doch Waterboers Werbefeldzug war ein voller Erfolg.«
Erika trank einen Schluck Wasser. »Aber damit war Waterboers Kampagne noch lange nicht beendet. Der Konzern hat Edelsteinmuseen auf der ganzen Welt finanziert, besonders schöne Steine zu Ausstellungszwecken zur Verfügung gestellt und immer wieder betont, wie selten Diamanten sind, wie unvergänglich. Und dass sie eine gute Kapitalanlage sind. Königshäuser auf der ganzen Welt haben Diamanten bekommen, weil Waterboer wusste, dass diese Praxis Nachahmer finden würde. Und es hat funktioniert. Vorher hätten die Leute nie daran gedacht, einen
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