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Das Monopol

Titel: Das Monopol Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicolas Kublicki
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Offizielle Regierungsverlautbarungen. Kopien der Iswestia, Prawda und Krasnaja Swesda. Iswestia hieß auf Russisch „Nachrichten“, Prawda „Wahrheit“. Solange das letzte russische Regime an der Macht war, machte man sich stets darüber lustig, wie wenig Iswestia in der Prawda zu finden war. Von der Prawda in Iswestia gar nicht zu reden. Was den Wahrheitsgehalt der Artikel im Krasnaja Swesda anging – im „Roten Stern“, dem Organ des russischen Militärs blieb es jedem selbst überlassen, sich ein Urteil darüber zu bilden.
    Pinks Telefon gab eine Reihe lang gezogener Töne von sich, ein Zeichen, dass es sich um einen internen Anrufer handelte.
    „Pink.“
    „Sie sind heute früh dran, Tom“, meldete sich seine Chefin.
    „Was soll ich sagen? Informationsauswertung ist mein Leben.“
    „Na, dann machen Sie mal einen Moment Pause vom Leben und kommen Sie in mein Büro.“
    „Bin schon unterwegs.“
    Pink trabte den Korridor entlang und fragte sich, welcher Auftrag ihn erwarten mochte. Zwar gab es den vereitelten Putschversuch des GRU von vor zwei Jahren, und das Land steckte immer noch in einer schweren wirtschaftlichen und militärischen Krise, doch seit Orlows Amtsübernahme war die Beschäftigung mit Russland ein wenig langweilig geworden. Immer wieder die gleichen Artikel. Die gleichen Berichte. Seit dem Ende des Kalten Krieges und den Anschlägen vom Elften September hatte die CIA sich mehr auf die instabilen Länder Osteuropas konzentriert, auf die Verbrecherregimes im Nahen Osten sowie auf Nationen, die Terroristen Unterschlupf gewährten. Früher war etwa die Hälfte der CIA-Mitarbeiter in der Informationsauswertung Sowjetunion beschäftigt gewesen; nun hatten die meisten von ihnen andere Aufgaben, oder sie hatten die Kündigung erhalten. Die Enttarnung des sowjetischen Spions Aldrich Arnes und der CIA- Putsch in Guatemala hatten die Sektion Russland beim Kongress nicht gerade beliebt gemacht: Dort wollte man, dass die CIA ihr geheimes, jedoch weithin umstrittenes jährliches Budget von 30 Milliarden ausschließlich zur Bekämpfung des Terrorismus einsetzte, ungeachtet der anderen, sehr realen Bedrohungen, denen die Nation ausgesetzt war.
    Deborah Gold war Leiterin der Sektion Russland, einer von mehreren Unterabteilungen des Directorate of Intelligence, kurz DI. Das DI hatte eine Hauptaufgabe: Es sammelte die von anderen Abteilungen der CIA beschafften Informationen über ausländische Regierungen und Organisationen, wertete sie aus und entwarf den Daily Brief, den Nachrichtenüberblick für den amerikanischen Präsidenten – die teuerste Zeitung der Welt mit der kleinsten Auflage. Jeden Morgen wurde sie dem Präsidenten und etwa fünfzehn hohen Staatsbeamten zugestellt.
    Pink und Deborah Gold hatten im Laufe der Zeit aus Respekt vor den jeweiligen Stärken des anderen eine sehr gute Zusammenarbeit entwickelt. Nun klopfte er an ihre Tür.
    „Herein!“
    Sie saß mit gefalteten Händen da und grüßte ihn mit einem freundlichen Lächeln. „Morgen, Tom.“ Sie bedeutete ihm, Platz zu nehmen.
    Deborah Gold trug ein strenges graues Kostüm und eine weiße Bluse und fixierte Tom durch eine Brille mit schmalem Stahlrahmen, die auf einer vor einigen Jahren hübsch gerichteten Nase saß – Mrs Golds einziges Zugeständnis an weibliche Eitelkeit.
    Doch als sie sich vorbeugte, verschwand das Lächeln. „Ich habe eben mit Malcolm gesprochen.“ Malcolm war DDI – Deputy Director of Intelligence –, dem nur noch der CIA-Chef vorgesetzt war. In Wahrheit hieß er Randall Forbes, wurde in der Abteilung von allen aber nur Malcolm genannt, weil seine Familie so wohlhabend war. Natürlich war er mit dem verstorbenen Finanzmann Malcolm Forbes in keiner Weise verwandt. „Unser lieber Mr Slythe ist auf dem Weg nach Moskau.“
    „Waterboer schlägt also wieder zu. Zweifellos wollen sie den Vertrag über die russischen Diamantenlieferungen neu aushandeln.“
    „Genau, vermutlich eine Vorverhandlung.“
    „Drecksäcke.“ Als Afroamerikaner hegte Pink eine besondere Feindseligkeit gegen Waterboer und dessen frühere Apartheidspraktiken. Was den Vertrag zwischen Russland und Waterboer Mines anging, konnte man ihn schwerlich als geheime Information bezeichnen – er war allgemein bekannt. Im Wall Street Journal und anderen Finanzblättern erschienen regelmäßig Artikel darüber. Doch dieser Vertrag interessierte die Öffentlichkeit kaum. Einer der Vorteile eines Monopols war der Mangel an Konkurrenten. Und wo

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