Das Monopol
dass Sie mal wieder hier sind. Wer ist denn...«
»Hat heute Abend jemand nach mir gefragt? Ich sollte hier nämlich einen Mann treffen.«
»Nein, Sir. Wer ist denn die hübsche Lady, die Sie da im Schlepptau haben?« Er bedachte Erika mit dem zurückhaltenden und doch verräterischen Blick, den Männer annehmen, wenn sie eine schöne Frau nicht zu offensichtlich anstarren wollen.
Wieder überkam Carlton dieses Besitz ergreifende Gefühl. Nein, es war sogar Eifersucht. »Langsam, Steve. Wir haben kein Rendezvous. Erika ist eine Kollegin. Erika – Steve. Steve – Erika.« Carlton sah zu, wie die beiden sich die Hand gaben. Wem machte er hier etwas vor? Er mochte Erika nicht nur, weil sie eine Kollegin war. Er mochte sie als Frau, Punkt.
Jetzt krieg dich wieder ein, Carlton. Sie spielt doch gar nicht in deiner Liga. Frauen wie sie verabreden sich mit Schauspielern und Investmentbankern.
»Trotzdem, ihr zwei würdet ein tolles Paar abgeben.«
Erika wurde rot und lächelte schüchtern.
Carlton überspielte ihre Verlegenheit, indem er seine Aufmerksamkeit der Menge zuwandte. »Immer noch keine Spur von Mazursky. Wo steckt er bloß?«
»Das Übliche?«, fragte Steve.
Carlton war froh über die Ablenkung. »Klar. Mit …«
»Viel Eis und einem bisschen Zitronensaft.« Sie sagten es gleichzeitig. »Und was möchte die Dame, die nicht zu einem Rendezvous gekommen ist? Was darf’s sein?«
Erika stützte die Ellbogen auf die Theke und lächelte. »Ich glaube, ich nehme einen Sekt. Ich liebe Sekt.«
»Sehr romantisch«, kommentierte Steve. Dann merkte er, dass Carlton ihn wütend anfunkelte. »War bloß ’n Scherz.« Er lächelte und drehte sich zur Wand, um ihre Drinks einzuschenken.
Trotz des ohrenbetäubenden Lärms in der Kneipe waren Carlton und Erika in verlegenes Schweigen versunken. Hätte Steve nicht seine Bemerkungen gemacht, wäre es Carlton leichter gefallen, weiter so zu tun, als hätte er kein Interesse an Erika.
Erika lächelte, strich eine Falte im Rock glatt und mied seinen Blick. Carlton streckte die Hand nach einer Upmann Corona aus, beschloss dann aber, Erika lieber nicht mit Zigarrenqualm zu belästigen. »Ich frage mich, was Dave herausgefunden hat. Unsere Version wollte er ja nicht glauben. Was immer er gefunden hat, muss so gravierend sein, dass er nicht bis morgen Früh warten konnte. Warum ist er dann nicht längst hier?«
»Vielleicht wurde er im Büro aufgehalten. Oder er hat sich’s anders überlegt.«
»Das hat am Telefon aber nicht so geklungen. So langsam werde ich unruhig.«
»Hier ist euer Sprit.« Steve stellte die Drinks auf die Theke und hielt selbst ein kleines Glas in der Hand. »Und hier ist meiner. Auf euch beide, auch wenn ihr kein Rendezvous habt.«
Carlton und Erika nippten an ihren Gläsern, während Steve seinen Drink auf einen Zug hinunterstürzte.
»Dürfen Sie während der Arbeit trinken?«
»Keinen Schluck.« Steve ließ sie allein, um sich anderen durstigen Gästen zuzuwenden.
Carltons Lieblingscocktail hatte wie immer eine beruhigende Wirkung auf ihn. Seine Sorge um Mazursky ließ ein wenig nach, und er fühlte sich Erika gegenüber nicht mehr so befangen. »Also, Kollegin. Ich rede nicht so gern über mich. Damit wir die Zeit bis zu Daves Erscheinen überbrücken, erzählen Sie doch etwas über sich.«
»Ich habe immer gehört, die Frau sollte dem Mann zuhören und sich für alles interessieren, was er sagt.«
»Wir leben im 21. Jahrhundert. Und Sie irren sich. Ich bin an Ihnen interessiert.« Dann ging ihm auf, wie sich das anhören musste. »Nun, wir sind Kollegen. Ich weiß gern, mit wem ich zusammenarbeite.«
»Wollen Sie die Proust-Version hören, oder die von Reader’s Digest ?« Sie ist wunderschön, dachte Carlton. Schön, aber nicht dumm. Klug und gebildet, aber witzig. Keine kalte Karrierefrau. Und warmherzig.
»Proust also. In Bewusstseinsstrom-Technik wie in Auf der Suche nach der verlorenen Zeit. Ist bestimmt viel interessanter als Reader’s Digest.« Erika nippte am Sekt. »Ich bin aber schon etwas beschwipst. Vielleicht wird es nicht besonders zusammenhängend.« Lieber Gott, mach, dass ich nicht lalle.
»Das macht doch nichts.« Carlton winkte Steve.
»Na, dann los. Geboren 1975. Dad und Mum sind holländischer …«
Mazursky tauchte nicht mehr auf.
ZWEITER TEIL
Reinheit
»In dem Maße, wie das Licht expandiert, nimmt der Umfang der umgebenden Dunkelheit zu.«
- Albert Einstein
24.
Die
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