Das Monopol
Enthüllung
Main Justice Building
Washington, D. C., 11.03 Uhr
Vier schlaflose Nächte hatten Carlton mehr denn je von Koffein abhängig gemacht. Er lehnte sich in seinem knarrenden Bürosessel zurück und stürzte noch eine Tasse Kaffee herunter. Der Kurier des Reisebüros würde bald sein Flugticket nach Hawaii abliefern. Carlton hatte keine Lust, nach Hawaii zu fliegen. Doch was konnte er schon dagegen machen? Was er auch in Erfahrung gebracht hatte – alles deutete auf den unheilvollen Einfluss von Waterboer Ltd. hin, doch er hatte keine stichhaltigen Beweise. Und selbst wenn, Waterboer war unangreifbar. Und dass die Bundesregierung in die Sache verwickelt war, würde noch schwerer zu beweisen sein – von der Anklage gar nicht zu reden. Also wartete er geduldig ab.
Carlton hatte mehrere Nachrichten auf Mazurskys Anrufbeantworter in Senator Bighams Büro hinterlassen, wartete aber immer noch auf Antwort. Er beschloss, die Post zu lesen, um sich die Zeit zu vertreiben. In den letzten Tagen hatte er sich ausschließlich um Diamanten in Arkansas gekümmert und keine anderen Nachrichten mitbekommen. Vielleicht würde das Studium der Zeitung ihm wieder ein realistisches Bild über den Zustand der Welt verschaffen. Er beugte sich vor und überflog die Schlagzeilen. Eine fiel ihm sofort ins Auge.
BERATER EINES SENATORS TOT AUFGEFUNDEN
Entsetzt schrak Carlton hoch. Er packte die Zeitung so fest, dass das Papier einriss.
BERATER EINES SENATORS TOT AUFGEFUNDEN
von Noel Haney
Washington, D. C. – Am Mittwochmorgen um fünf Uhr wurde in einer Seitengasse der South Capitol Street in Südost-Washington eine Leiche gefunden. Die Polizei identifizierte das Opfer als David Mazursky, 36, aus McLean, Virginia …
O Gott.
Mr Mazursky war persönlicher Referent von Senator Wade Bigham aus Arkansas. Captain Raymond Jackson vom District of Columbia Police Department gab an, das Opfer sei »einer Vielzahl von Schusswunden in Brust und Gliedmaßen erlegen«. Jackson nannte weder Motiv noch Verdächtige, erklärte aber, der Grund für die Schießerei könnten Drogen gewesen sein …
Die haben ihn ermordet.
Ein leitender Beamter im Weißen Haus, der darum bat, anonym zu bleiben, erklärte, dass Mr Mazurskys Drogenkonsum allgemein bekannt sei …
So ein Schwachsinn! Mazursky war kein Junkie.
Mazurskys Ehefrau Rachel, Ärztin im Bethesda-Marinekranken- haus in Maryland, wies die Vermutung entschieden zurück, ihr Mann sei drogenabhängig gewesen. »Wir sind seit elf Jahren verheiratet, und kein einziges Mal habe ich ihn Drogen nehmen sehen oder irgendwelche Symptome für Drogenkonsum an ihm beobachtet. Diese Anschuldigung ist eine Beleidigung für David und seine Familie.«
Nach Angaben der Polizei gab es »bisher keinen Beleg für Mr Mazurskys angeblichen Drogenkonsum«. Doch die Frage ist wohl erlaubt, was der Mann aus McLean, Virginia, am Abend seines Todes in diesem berüchtigten Stadtteil Washingtons zu suchen hatte. Die Polizei fand zwei leere Crackampullen in der Manteltasche des Toten. Außerdem sei der Körper von »Kugeln aus einer UZI-Maschinenpistole«, einer in Drogenkreisen beliebten Waffe, regelrecht zersiebt worden.
Carlton schauderte. Er hielt sich an der Tischkante fest, um gegen den Nebel anzukämpfen, der ihn einzuhüllen drohte. In seinem Magen brannte eine glühende Kugel.
Die haben ihn getötet. Diese Scheißkerle haben ihn ermordet!
Sie mussten Mazursky aufgelauert und ihn zwischen dem Hart Senate Office Building und der Kneipe getötet haben. Der Tatort war nur wenige Querstraßen entfernt. Mazurskys Mörder hatte genau gewusst, dass er jemanden treffen wollte, um ihm eine brisante Information zu enthüllen.
Irgendjemand wusste, dass Mazursky es wusste. Aber wer? Und was?
Carlton fuhr sich mit der Hand durchs Haar, starrte an die Decke, erinnerte sich an Mazurskys Worte.
Ich habe Ihnen etwas geschickt.
Post. In der heutigen Büropost war kein Brief von Mazursky gewesen. Ein Brief vom Senat wäre längst angekommen. Aber nein, überlegte Carlton dann: Wenn die Information so vertraulich war, hatte Mazursky sie bestimmt an seine Privatadresse geschickt. Die hätte er schon irgendwie herausbekommen. Von D. C. nach Arlington brauchte die Post vermutlich einen Tag. Aber Mazursky hatte den Brief vom Senat aus geschickt. Der Senat wurde von der Post bevorzugt bedient. Also würde der Brief heute in seinem Kasten liegen. Und wenn sie über das
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