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Das Monopol

Titel: Das Monopol Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicolas Kublicki
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hübschen Afroamerikanerin auf und lächelte, immer noch keuchend. »Marcie! Meine Güte, bin ich froh, dass ich Sie noch erwischt habe.« Er lehnte sich mit dem Rücken an den Wagen. Seine Lungen brannten.
    »Mr C.?«, fragte die Postbotin, offenkundig verwirrt. Sie blinzelte ungläubig, als versuchte sie sich zu überzeugen, dass dieser unrasierte, atemlose Bursche tatsächlich Pat Carlton war.
    »Gott sei Dank!«, stieß Carlton hervor. »Dank sei Gott, dass Sie sich an mich erinnern.«
    »Natürlich kann ich mich an Sie erinnern. Was ist denn los?«
    »Ich kann es Ihnen nicht hier erklären. Könnten Sie mir bitte meine Post geben?« Er hustete.
    Wieder blinzelte Marcie ungläubig. Es war nicht erlaubt, jemandem die Post persönlich zu übergeben, außer in dessen Haus oder an dessen Briefkasten, der Staatseigentum war. Aber Mr C. war ein netter Mann. Zu Weihnachten gab er ihr stets eine Karte und einen Scheck – dieses Jahr waren es zwanzig Dollar gewesen. Er war ein guter Mensch, Anwalt im Justizministerium. Und wenn man dem Justizministerium nicht trauen konnte, wem dann?
    Außerdem hatte sie schon immer eine Schwäche für ihn gehabt. »Klar, Mr C.«
    Marcie verschwand im Wagen und kam mit einem kleinen Stapel Post wieder heraus. Carlton blätterte nervös die Umschläge durch, immer noch keuchend im eisigen Wind. Das meiste war für den Papierkorb. Gutscheine. Sonderangebote. Wetteinsätze. Neue Verkaufsmaschen. Ein Brief von Cartier. Und …
    Treffer!
    Ein weißer, gewichtig aussehender Umschlag, in dessen oberer rechter Ecke die krakelige Unterschrift von Senator Bigham prangte. Laut Poststempel wurde einem Kongressmitglied überall in den Vereinigten Staaten kostenlose Zustellung garantiert; für den Steuerzahler galt das natürlich nicht.
    Carlton nahm den Umschlag des Senators und den Brief von Cartier, schob beide in seine Tasche und gab Marcie die restlichen Briefe zurück.
    »Ich bin zwar noch ziemlich neu bei der Post, hab aber noch nie gesehen, dass sich jemand so freut, wenn er ’n Brief kriegt. Was …«
    Carlton schaute sie an. »Fragen Sie nicht. Können Sie die anderen Briefe bei mir in den Kasten werfen?«
    »Äh … klar, Mr C.«
    »Danke, Marcie. Sie sind ein Schatz.«
    Marcie strahlte vor Freude.
    Carlton joggte zum Shark zurück, verringerte das Tempo jedoch zu einem schnellen Schritt, als Lunge und Beine wieder zu schmerzen begannen. Die Fahrer hinter dem verlassenen Cadillac veranstalteten ein wütendes Hupkonzert, weil der Stau sich nun langsam wieder in Bewegung setzte. Carlton sprang in den Shark und fuhr auf den grasbewachsenen Seitenstreifen. Eine winzige Drehung an der Servolenkung, und der Caddy bog scharf rechts in die nächste Seitenstraße. Langsam näherte sich Carlton durch das Labyrinth von Seitenstraßen seinem Haus. Er bog um eine dunkle Ecke, parkte unter einer schneebeladenen dunklen Ulme, stellte den Motor ab und wartete.
    Es kam ihm seltsam vor, seine eigene Wohnung zu bespitzeln. Verrückt, beinahe irreal, wie in einem Film noir aus den Vierzigerjahren. Aber er litt nicht unter Verfolgungswahn. Zwei Männer waren tot. Was in dem Umschlag in seiner Tasche steckte, war brisant genug, dass zwei Menschen dafür hatten sterben müssen. Und einen Mord ohne Motiv, so bizarr es auch sein mochte, gab es nur in den tragischen und zugleich reißerischen Geschichten der Lokalnachrichten.
    Der Motor knackte, als er in der eisigen Luft abkühlte.
    Die von Alleebäumen gesäumte Kenilworth Street war wie immer ruhig und friedlich. Ein Hund bellte eine Katze an. Einen Block weiter kämpften sich die Wagen durch den Stau auf dem Washington Boulevard. Im Haus gegenüber lief plärrend ein Zeichentrickfilm im Fernsehen. Ein Nachbar goss Frostschutzmittel in die Eingeweide seines betagten AMC Gremlin.
    Carlton konzentrierte sich auf sein Backsteinhaus. Die ältliche Frau im zweiten Stock tappte mit einer Teetasse in der Hand von Zimmer zu Zimmer. Endlich fuhr Marcies Postauto vor. Sie sah den Shark nicht, der auf der anderen Straßenseite parkte, ging ins Haus, warf die Briefe ein und ging zum Nachbarhaus. Einige Minuten später erschien ein anderes Postauto auf der Bildfläche. Ein hoch gewachsener bärtiger Mann in blauer Briefträgeruniform stieg aus und betrat die Eingangshalle von Carltons Haus. Über der Schulter trug er einen Postsack. Carlton kniff die Augen zusammen und beobachtete, wie der Mann einen Kasten öffnete und den Inhalt durchwühlte. Dann ging er rasch zum

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