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Das Monopol

Titel: Das Monopol Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicolas Kublicki
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traten ihr bei. Natürlich war es nicht die große, mächtige Mafia der ehemaligen kommunistischen Funktionäre und Machthaber, der apparatschiki oder Oligarchien, die immer noch den größten Teil der Wirtschaft und der Regierung unter ihrer Kontrolle hielten. Nein, es war die mafija der Straße. Um mit den apparatschiki in Wettstreit zu treten, war Uljanow nicht mächtig genug gewesen. Zumindest nicht zu Anfang.
    Bei der korrupten und unterbezahlten Polizei und den Horden anderer kleiner Mafiagruppierungen wurden Uljanows Männer bald unter dem Namen volki bekannt, die Wölfe. Die Schnelligkeit, mit der ihre Organisation wuchs, hätte die meisten Unternehmer beschämt. Die volki waren effektiv und tödlich und blitzschnell. Skrupellos nutzten sie die militärische Spielart des wertuschka- Netzwerkes aus: spannten Quartiermeister, Lageristen, Hafenarbeiter, Spediteure, Telefongesellschaften, Staatsbanken, Hotelmanager und Piloten in ihre Aktionen ein. Die wertuschka – die Cliquenwirtschaft – war allgegenwärtig und unsichtbar. Richtig genutzt, wurde sie zu einer gut funktionierenden Schattenregierung.
    Anders als zehntausende alkohol- und drogenabhängiger mafija-Söldner, die Russland ohne gesetzliche Legitimation beherrschten und dabei von der Gier und den Launen ihrer früheren apparatschik- Führer abhängig waren, operierten die volki als disziplinierte, straff organisierte Macht. Ihren Aktionen lag eine wohl überlegte, geschäftsmäßige Planung zu Grunde. Anfangs waren es lediglich Waffen und anderes Wehrmaterial – für ehemalige Armeeoffiziere leicht zu beschaffen und zu verkaufen, hauptsächlich an Staaten wie den Iran, den Irak und Libyen sowie an Einzeltäter, die in vielen anderen Ländern operierten. Später weitete sich das Geschäft aus. Die volki verkauften fast alles, was in Armeedepots zu haben war. Dann machten sie sich über die anderen Depots in Regierungsbesitz her. Nach einigen Jahren hatte ihr Geschäftsvolumen eine Größenordnung erreicht, die dem der apparatschiki gleichkam, und es waren noch weitere lukrative Zweige hinzugekommen: Erpressung, Bestechung, Schmuggel, Prostitution und Drogenhandel. Börsengeschäfte, Grundbesitz, Technologie, neue Medien. Die volki schmuggelten russische Antiquitäten, Edelmetalle, Waffen, Chemikalien und hoch angereicherte Mineralien zur Atomwaffenherstellung aus dem Land und verschacherten die Ware an den Meistbietenden, ungeachtet dessen nationaler Herkunft oder politischer Überzeugung. Der mit Abstand beste Kunde war China, besonders im Hinblick auf Raketen- und Nukleartechnologie. Eine weitere gut fließende Einnahmequelle der volki waren die bestellten Morde an Geschäftsleuten, Bankiers, Politikern und Mafiapaten auf der ganzen Welt, besonders in den USA und anderen Ländern des Westens. Dort hatte sich die alte sizilianische Mafia meist so weit etabliert, dass man sich die Hände nicht mehr mit Auftragsmorden schmutzig machen wollte.
    Nach einigen Jahren hatten Uljanow und seine volki genügend Reichtümer angehäuft, um ihr eigentliches Ziel anzugehen – die Wiederbelebung der Heiligen Mutter Russland. Doch die volki konnten dieses Ziel nicht allein verwirklichen. Zum Gelingen einer Revolution brauchte man zwar eine Elitetruppe und Gewalt, aber auch einen charismatischen Führer. Einen mächtigen Verbündeten, dem die Herzen der Massen entgegenschlugen. Lange hatte Uljanow die politische Landschaft nach einem solchen Verbündeten abgesucht. Und in einem Meer korrupter Quallen war er auf einen eindrucksvollen Hai gestoßen, einen Patrioten mit dem Beinamen »der Hammer«, der sich für die Reinkarnation Josef Stalins hielt.
    Behutsam und gemächlich baute Uljanow eine Beziehung zu dem rauen, freimütigen Molotok auf. Sie begannen als Geschäftspartner. Zwei Jahre lang beäugten sie einander vorsichtig. Uljanow demonstrierte Molotok, dass er es ehrlich meinte und über große Ressourcen verfügte. Er hatte niemandem etwas weggenommen. Keine übertriebenen Preise gefordert. Er war nicht stillschweigend auf die andere Seite übergewechselt. Dies waren die Markenzeichen der anderen mafija-Gruppierungen, deren Praktiken Uljanow sorgsam zu vermeiden trachtete. Molotok seinerseits zeigte sich Uljanows Vertrauen würdig, indem er stets pünktlich zahlte und niemals die geforderten Preise infrage stellte, sowie durch seine tiefe Sehnsucht, Russland möge wieder Macht und Glanz erringen. Wie in alten Zeiten unter Peter dem Großen, pflegte er zu

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