Das Monopol
gleich und schleppten auch die Toten hinter die schützende Biegung. Innerhalb von Sekunden füllte sich der Raum mit Gas. Anders als ihre Kameraden waren die Soldaten aus dem Rohdiamantenlager bewusstlos, als sie herausgezerrt und angezündet wurden. Mit Atemschutzmasken drangen die volki erneut in das Lager ein, das nun von niemandem mehr verteidigt wurde. Weniger motivierte und trainierte Kämpfer als die volki wären vermutlich sehr in Versuchung geraten, eine Hand voll des Schatzes mitgehen zu lassen – doch nicht die ehemaligen speznaz: Sie waren Fanatiker und diszipliniert bis auf die Knochen. Sie ließen die Diamanten unangetastet und begnügten sich damit, sorgfältig jede Geschosshülse der Soldaten vom Boden aufzulesen. Zum Glück hatte sich keine Kugel in die Betonwände gebohrt.
Als das Brausen der Flammen von Sirenengeheul übertönt wurde, befahl Uljanow den vollständigen Rückzug. Die volki sprühten noch ein zehn Meter breites Flammenfeld und zogen sich dahinter zurück. In diesem Augenblick erreichte ein Konvoi aus Feuerwehrfahrzeugen, Rettungswagen und Militärfahrzeugen das Gelände des Diamantenzentrums.
Die Toten und Verletzten mit sich tragend, liefen die volki auf zwei Heerestransporter zu, die anderthalb Kilometer entfernt standen. Als die Laster mit abgeblendeten Scheinwerfern in die Dunkelheit davonrasten, streiften die Männer ihre Anzüge ab, tranken literweise Wasser mit Kochsalz, um der gefährlichen Dehydrierung durch die Hitze entgegenzuwirken, und zogen normale russische Armeekluft an.
Uljanow warf einen Blick auf die Uhr. Die ganze Operation hatte nur sechs Minuten gedauert.
Perfekt. Molotok würde hocherfreut sein.
Um genau 2.45 Uhr Ortszeit flog ein amerikanischer 8X-Aufklärungssatellit oberhalb von Mirnyj durch den Van-Allen-Gürtel, dutzende von Kilometern über der dunklen Oberfläche der östlichen Hemisphäre. Der Satellit war das Ergebnis intensiver Forschungsarbeit und eines Budgets in Höhe von 1,5 Milliarden Dollar. Anders als sein Vorläufer, der »Schlüsselloch«-KH-12, konnte der zwanzig Tonnen schwere 8X genaue Detailinformationen und Live-Digitalaufzeichnungen eines tausend Quadratkilometer großen Areals liefern. Und wichtiger noch, er konnte Infrarotstrahlung aufspüren – Wärme. Jedes Objekt hat eine bestimmte Temperatur, die von der seiner Umgebung abweicht. Indem der Satellit relative Wärmeunterschiede maß, konnte er selbst in tiefster Dunkelheit fast jedes Objekt ausmachen. Und da Wärme nur langsam schwindet, konnten die Infrarotdetektoren des 8X die Position bestimmter Objekte selbst dann noch aufspüren, wenn die Objekte selbst bereits verschwunden waren.
Der 8X konnte in der Tiefe der Nacht in die Vergangenheit blicken.
3.
Der Milliardär
Castel MacLean
Beverly Hills, Kalifornien, 8.30 Uhr
In einen Morgenmantel aus blauer Seide gehüllt, verließ Maximillian MacLean, Milliardär und Inhaber des multinationalen Lebensmittelkonzerns MacLean Inc., sein palastartiges Schlafzimmer. Die meisten Männer seines Schlages neigten dazu, noch mehr Geld und Macht anzuhäufen, als sie bereits besaßen. MacLean jedoch war von einer vollkommen anderen Leidenschaft besessen; sie war der Mittelpunkt seines Lebens, sie gab ihm einen Sinn und entfachte das Feuer seiner Seele.
Die Schönheit.
Sein Name verriet nichts mehr über seine wahre Herkunft, doch Maximillian MacLean war der Sohn von Don Giancarlo Innocenti und somit ein Abkömmling der amerikanischen Mafia, der Sohn eines uomo di rispetto – eines »ehrenwerten Mannes«. Giancarlo Innocenti hatte im Unterschied zu anderen Dons des amerikanischen Ablegers der Cosa Nostra nicht daran geglaubt, dass der ausschweifende Lebensstil und die unbegrenzte Macht des »Mob« bis in alle Ewigkeit fortdauern könne. Zwar hatte die Mafia im Zweiten Weltkrieg während der »Operation Underworld« mit der amerikanischen Regierung zusammengearbeitet: Die Regierung drückte beide Augen beim Schwarzmarkt zu, dafür schützte die Cosa Nostra amerikanische Häfen gegen Saboteure der Achsenmächte, führte das amerikanische Heer durch unwegsames Gelände auf Sizilien und sorgte nach dem Fall Mussolinis für Ordnung in den Dörfern. In den Fünfzigerjahren erlebte die Mafia sogar einen Aufschwung. Dennoch ahnte Innocenti, wie es um die Zukunft der Organisation bestellt sein würde. Doch unter den mächtigen Klans war er ein einsamer Rufer in der Wüste, als er voraussagte, die Bundesregierung und neue
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