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Das Monopol

Titel: Das Monopol Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicolas Kublicki
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Gesetze würden irgendwann ihren Untergang herbeiführen. Während die anderen Dons ihre Köpfe in den Sand von Las Vegas, Miami Beach und Atlantic City steckten, bereitete Giancarlo Innocenti sich auf das Ende vor.
    Zuerst traf er Vorkehrungen, um seinen einzigen Sohn zu schützen. Der Familienname konnte dem Jungen in Zukunft nur schaden, daher änderte Innocenti ihn in MacLean, das wie »Mac-Lane« ausgesprochen wurde. Dieser neue Maximillian MacLean durfte nichts mit Bestechung, Prostitution, Drogen, Gewalt oder Mord zu tun haben. Stattdessen besuchte er die besten Schulen an der Ostküste und in England, wurde zu eifrigem Kirchgang angehalten, trat dem Reservistencorps bei und pflegte die Sommer in Europa zu verbringen. Er musste in Wohltätigkeitsorganisationen mitarbeiten, um Demut zu lernen. Als Maximillian einundzwanzig wurde, machte sein Vater ihm ein ehrbares Geschäft zum Geschenk: ein italienisches Restaurant in Los Angeles – passenderweise zu dem Zeitpunkt, als die amerikanische Bevölkerung die italienische Küche entdeckte.
    Bis zu diesem Moment war MacLeans Leben von seinem Vater bestimmt worden. Bald darauf starb der Don, und sein Sohn war auf sich selbst gestellt. Aus Maximillian wurde »Max«. Wenn er auch in Geschichte, klassischer Literatur und Tischmanieren besser bewandert war als in Geldangelegenheiten und knallhartem Geschäftsgebaren, so floss doch immer noch das Blut seines Vaters in seinen Adern. Zwar gab Max, wie vom Vater angeordnet, dessen Anteil an illegalen Geschäften auf, doch er unterhielt einen regen Austausch mit den Klans in Amerika und andernorts. Hin und wieder erwies Max anderen Familien einen Gefallen, wobei er sich stets legaler Mittel bediente, und die anderen zahlten mit gleicher Münze zurück. Doch als Max MacLean reicher und mächtiger wurde, änderte sich auch die Größenordnung der Gefälligkeiten. Aus diesem Grund – und weil er seinen Anteil am Cosa-Nostra-Kuchen den anderen Familien überlassen hatte – waren diese nur zu gern bereit, Max jederzeit gefällig zu sein.
    Als die italienische Küche in Nordamerika zunehmend beliebter wurde, gelang es Max mithilfe von Freunden seines Vaters, zunächst ein zweites, bald darauf ein drittes Restaurant zu eröffnen. Es folgten Restaurants in anderen Städten, in anderen Ländern. Eine Kaffeehauskette. Produktlizenzen. Tiefkühlprodukte. Import-Export. Lebensmitteltransporte – zunächst im Inland, dann weltweit. Eine Kochschule. Eine Zeitschrift. Webseiten. Ein eigener Fernsehkanal. Ein Kurbad für Gourmets. Mehrere Hotels. Ein Spielkasino in Atlantic City auf vollkommen legaler Basis. Ständig steigende Immobilien werte. Schließlich schluckte seine weit verzweigte Lebensmittelfirma andere Betriebe und wurde Marktführer. Innerhalb von zwanzig Jahren hatte MacLean ein Vermögen gemacht. Mit vierzig heiratete er Claire Des Eaux, eine attraktive Meeresbiologin. Er ließ nicht zu, dass sie auch nur das Geringste von seiner Vergangenheit erfuhr, und hielt seine früheren Verbindungen zur Mafia vor ihr geheim. Sie freuten sich auf die Kinder, die kommen sollten.
    Elegant und hoch gewachsen, mit einem Akzent, der gleichermaßen von der Ostküste wie von England geprägt war, und einem ruhigen, selbstsicheren Auftreten, erschien MacLean eher wie ein Banker, ein Seniorpartner in einer renommierten Anwaltskanzlei oder wie der Dekan einer amerikanischen Eliteuni denn als Sohn eines Mafiapaten.
    Nach kurzem Nachdenken wählte er in seinem begehbaren Kleiderschrank von der Größe eines Herrenmodegeschäfts einen dezenten marineblauen Anzug, ein hellblaues Hemd mit Manschetten, eine dunkelblaue Krawatte und schwarze Gucci- Halbschuhe mit glänzenden silbernen Schnallen. Die Manschettenknöpfe waren nicht ganz so dezent: golden mit einer Auflage aus rotem und blauem Lack und in der Form von Bienen, dem Wappen Napoleons. Dazu wählte MacLean die unauffällige Eleganz einer Chaumet-Aquila-Uhr mit römischen Ziffern. Bedächtig zog er sich an. Bald glich sein Erscheinungsbild dem eines Hollywoodstars.
    Nachdem er sich im Standspiegel von seinem attraktiven Äußeren überzeugt hatte, wandte MacLean sich um und stieg langsam die Treppe zur Halle hinunter, während der dezente Duft seines Rasierwassers hinter ihm herschwebte. Sein Anwalt Dan Wenzel schritt unruhig in der riesigen Halle auf und ab und rauchte bereits seine zehnte Zigarette.
    »Ah, Dan.« MacLean schaute auf die Uhr. »Früh wie immer.«
    Sie gaben sich die Hand.

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