Das Monopol
die Beziehungen zum Geheimdienst kamen ihm in den ersten Monaten seiner Amtszeit gut zustatten. Er nahm den Krieg gegen die von der Mafia unterstützten tschetschenischen Rebellen wieder auf und siegte. So gewann er den Beifall des russischen Volkes, denn damit hatte er einen Konflikt beigelegt, den es als sein zweites Vietnam betrachtete – der erste war die fehlgeschlagene sowjetische Invasion in Afghanistan gewesen.
Puschnin hielt den Dialog mit dem Westen aufrecht, während er gleichzeitig im Osten nach neuen Verbündeten Ausschau hielt – China und Indien – und Europa gegen die Vereinigten Staaten auszuspielen versuchte. Um seine Macht innerhalb der Führungselite auszubauen, begann er Milliarden an harter Währung in die Staatskassen zurückzuholen, die der KGB vor dem Fall der Sowjetunion an westliche Banken und Firmen ausgeführt hatte, darunter ein gewaltiger Vorrat an Rohdiamanten.
Doch wie Friedrich Engels vorausgesagt hätte, kam die Auflösung von innen. Es war das erste Mal in der Geschichte Russlands, dass ein ehemaliger KGB-Offizier offiziell die Herrschaft übernommen hatte und nicht im Hintergrund die Fäden zog wie einst Jurij Andropow und sein Politbüro. Puschnin war ein junger, energischer KGB-Mann. Er nahm eine gründliche, schonungslose Säuberung – eine peredischka – sämtlicher Ränge und Ämter vor und ersetzte die Beamten durch Mitglieder des vormaligen KGB, der vom früheren Präsidenten umbenannt und auf eine gewisse Weise gespalten worden war: in den Federalnaja Sluschba Besopasnosti (Inlandssicherheitsdienst oder FSB) und den Sluschba Wreschney Raswedki (Auslandsaufklärungsdienst oder SWR). Bald schon beherrschte der FSB die russische Politik. Darauf folgten die unvermeidlichen Grabenkämpfe und der Verfolgungswahn beider Behörden. Dann nahm der FSB die militärische Führung aufs Korn und klagte sie der Spionage an, der Korruption und was es an Verbrechen noch geben mochte. Gegner der unter dem Einfluss des FSB stehenden Regierung, beispielsweise Oppositionsparteien oder kritische Medien, wurden mundtot gemacht, meist durch Inhaftierung oder drastischere Maßnahmen. Die meisten der alten Oligarchien jedoch blieben, nur wurden sie nun von der Regierung dirigiert, statt wie in alten Zeiten selbst das Ruder zu führen.
Die aufgezwungene Ideologie des Kommunismus und die Gier der Oligarchen diktierte den von Furcht angetriebenen Verfolgungswahn des staatlichen Geheimorgans.
Besonders hart traf es den Glawnoje Raswediwatelnoje Uprawlenije, den Militärischen Auslandsaufklärungsdienst, kurz GRU. Da die Führung des FSB den GRU als Rivalen betrachtete, ging sie massiv gegen ihn vor und griff dabei auf Stalin’sche Praktiken der Verhaftung und des Terrors zurück. Doch die Zeit Stalins war vorbei, und der GRU wusste sich seiner Haut zu wehren. Eine Splittergruppe von GRU-Offizieren, die die Zeichen der Zeit verstanden, fasste den Entschluss, Russland den Fängen des FSB zu entreißen. Nicht um dem Volk die Freiheit zu geben, sondern um sie für sich selbst zu sichern. Da die Gruppe auf die Unterstützung der Armee zählte, unternahm sie ihren Putsch und entführte zehn hohe russische Minister, darunter den Präsidenten. Doch die Rechnung der Offiziere ging nicht auf.
In dem Bewusstsein, dass ein Unterdrückerregime lediglich durch ein anderes ersetzt wurde und dass nur wahre Wirtschaftsreformen den Fortbestand des Vaterlandes sichern konnten, durchkreuzte das russische Militär den Plan: Es erzwang Neuwahlen und unterstützte einen starken Führer, der zum ersten Mal in der russischen Geschichte wirkliche Reformen durchsetzen sollte.
So war Wassili Orlow an die Macht gekommen.
Frei von Skandalen und Bestechung, war der hochrangige Staatsbeamte die einzige vernünftige Wahl. Rasch stellte sich heraus, dass Orlow ein gründlicher Reformer war. Er schuf einen Währungsausschuss und heftete den Rubel an eine Leitwährung aus verschiedenen Westvaluta, unter anderem den US- Dollar, das englische Pfund, die deutsche Mark und den französischen Franc, bevor die beiden Letztgenannten durch den farblosen Euro ersetzt wurden. In weiser Voraussicht zählte Orlow den japanischen Jen erst dazu, als Japan seine ökonomische Reife erlangt und dringend benötigte Wirtschaftsreformen durchgeführt hatte. Orlow näherte Russland der Europäischen Gemeinschaft an, denn die Mitgliedschaft in der EU konnte sein Land davor bewahren, wieder in wirtschaftliches Chaos abzugleiten. Pünktliche
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