Das Monopol
es satt, Russland so schwach zu sehen. Sie will Stärke und Ruhm. Die Bürokraten? Die werden dann endlich regelmäßig bezahlt. Die amerikanskii? Die werden einen internationalen Zwischenfall und gestörte diplomatische Beziehungen vermeiden wollen. Außerdem wird diese Angelegenheit nicht von internationalem Interesse sein, sondern eine rein russische Sache. Blutvergießen wie in Tschetschenien wird es nicht geben. Weder die amerikanskii noch die Europäische Union werden sich einmischen. Aber dass wir die Kontrolle übernehmen, ist erst der Anfang. Danach kommt unser wahres Ziel: die Wiedergeburt des russischen Weltreichs.«
Molotoks kräftige Arme beschrieben nun schwungvolle Bögen. »Wir werden unsere Armee wieder bewaffnen. Wir werden die Firmen übernehmen, die von den Ausländern kontrolliert werden. Wir werden unsere verlorenen Gebiete zurückfordern. Wir werden …«
Molotoks Liste war lang.
In der CIA-Zentrale in Langley, Virginia, freute sich Pink über die Unterbrechung durch die tägliche Post. Er blätterte in dem kleinen Stapel Briefe und Zeitschriften und hoffte auf eine Ablenkung, und sei sie noch so kurz. Die Dienstvorschriften untersagten persönliche Post am Arbeitsplatz, und so geschah es selten, dass Pink interessante Briefe bekam. Meist war es nur interne Post, todlangweilig. Doch dann sah er etwas Helles, das zwischen den Seiten des neuesten Washington Lawyer hervorschaute. Pink zog es heraus und musste grinsen. Es war eine Postkarte mit einem vollschlanken Mädchen, das kaum mehr trug als seine Sonnenbräune. Er drehte die Karte um.
Mr Pink:
Wusste ich ’s doch, dass Sie nachgucken
PC
PC? Wer war »P«? Musste wohl Pat Carlton sein. Pink wollte die Karte schon wegwerfen, beschloss dann aber, ihr einen Ehrenplatz auf seiner Pinnwand zu geben. Das Mädchen konnte ihm gute Gesellschaft leisten, während er den Auftrag für Randall Forbes zu Ende brachte. So eine Postkarte war zwar auch gegen die Vorschriften, aber er hatte ein Einzelbüro, keine Zelle in einem Großraum, und so würden seine Kollegen die Karte nicht sehen. Heutzutage musste man mit solchen Dingen am Arbeitsplatz vorsichtig sein. Seufzend wandte Pink sich wieder seinen Zahlen über die russische Diamantenproduktion zu, aber die Postkarte hatte ihn doch etwas aus dem Takt gebracht. Warum sollte Carlton eine Karte schicken, wenn er, Pink, eingewilligt hatte, seine Angaben nachzuprüfen? Und dann noch eine Karte ohne Text? Das ergab überhaupt keinen Sinn. Pink nahm die Karte wieder von der Wand und drehte sie um. Es stand nichts darauf; dann aber bemerkte er ein schmales weißes Stück Klebeband, das auf der ebenfalls weißen Karte kaum zu sehen war. Er zog es ab – und natürlich stand darunter genau das, was Carlton ihm bereits am Telefon mitgeteilt hatte.
»Was für ein Spinner!«, murmelte er und heftete die Karte wieder ans Korkbrett. Wenigstens war das Foto eine Augenweide.
29.
Der Vertrag
Der Kreml Moskau, 11.12 Uhr
Unter dem wachsamen Blick der schwer bewaffneten Torwächter brauste die glänzend schwarze SIL-Limousine mit ihrer Eskorte aus sechs Motorrädern durch das Hauptportal des Kreml. Für die Russen war diese Limousine ein Spitzenerzeugnis heimischer Automobilindustrie. Nur wenige wussten, dass Franklin D. Roosevelt die Packard Car Company gezwungen hatte, die zur Fabrikation notwendigen Spritzgussformen und Werkzeuge in die Sowjetunion zu schicken, wo man dann die SIL-Limousine baute, die sich über die Jahre zu ihrer gegenwärtigen Form entwickelt hatte.
Die Wagenkolonne hielt am Fuß der Marmortreppe, die zum Großen Palast des Kreml hinaufführte. Drei Personen stiegen aus dem warmen Wagen hinaus in den eisigen Nordwind. Rasch eilten sie durch die massive Tür am Kopfende der Treppe.
Wassili Orlow wartete bereits in der prunkvollen Halle. Es kam selten vor, dass Besucher aus dem Ausland, die keiner Regierung angehörten, am Eingang des Kreml vom Präsidenten persönlich begrüßt wurden. Doch Slythe war kein normaler Gast. Russland war auf den Kontrakt mit Waterboer angewiesen.
»Willkommen in Moskau, towarischi. Mr Slythe, wir fühlen uns durch Ihren Besuch geehrt.« Der weißhaarige russische Präsident streckte dem Besucher herzlich die Hand entgegen. Er sprach nahezu perfekt Englisch, wenn auch mit starkem Akzent. Seine wuchtige Körperfülle und das große, runde Gesicht standen in scharfem Gegensatz zur geschmeidigen Eleganz des Südafrikaners.
»Die Ehre ist ganz auf meiner
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