Das Monopol
Änderung vor.«
»Als Grundpreis, ja. Als Grundpreis. Aber der Preis konnte erhöht werden, wenn sich die Qualität der geförderten Diamanten veränderte. Und diese Voraussetzung ist inzwischen eingetreten.«
Der Südafrikaner brauchte ein paar Sekunden, um diese Bemerkung des Präsidenten zu verdauen. In seinem übersteigerten Selbstbewusstsein hatte Slythe angenommen, Orlow habe den Vertrag nie gründlich studiert. »Herr Präsident, kein Prüfer hat bislang eine bessere Qualität russischer Diamanten bestätigt.«
»Sie sprechen von Ihren Prüfern. Verzeihen Sie, wenn ich das sage, Mr Slythe, aber Ihre Prüfer könnten sogar den Hope-Diamanten wie ein Stück schmutziges Glas erscheinen lassen, wenn Sie es wünschen. Ich spreche hier von ehrlichen Prüfern.«
»Sie wollen doch nicht etwa behaupten …«
Orlow richtete sich zu seiner vollen Größe auf und fixierte sein Gegenüber mit finsterem Blick. »Doch! Genau das will ich! Genug der Ausreden, Mr Slythe! Halten Sie Waterboer für so mächtig, dass es Bestechung vor den Augen der russischen Regierung geheim halten könnte? Unser alter Geheimdienst hat es nie bemerkt – wahrscheinlich, weil er Zuwendungen von Waterboer erhielt. Aber nach 1991 hat der SWR es herausgefunden.«
Bluff war Orlows Stärke. 1991 hatte der SWR nicht annähernd die Mittel, um solche Ermittlungsarbeit zu leisten. Damals konnte sich der Dienst kaum Kohlepapier und Videobänder leisten, von Diamantprüfern gar nicht zu reden. Aber Orlow wusste, dass er auf der richtigen Fährte war – immerhin hatte Kowanetz von den Zuwendungen an Pjaschinew berichtet. Wenn Waterboer Pjaschinew bestochen hatte, war das nur die Spitze des Eisbergs.
Nun ging Slythe in die Defensive. »Mir war von solchen Zuwendungen nichts bekannt, Herr Präsident.«
Orlow setzte sich, drückte seine Zigarette aus und schlug einen braunen Ordner auf, in dem sich Seiten über Seiten mit Zahlenkolonnen befanden. »Soll ich Ihnen die Kontonummer und die Daten der Überweisungen verraten? Das Konto unseres teuren Verblichenen Pjaschinew bei einer Bank im Südpazifik, zum Beispiel?«
Nun war Slythe ehrlich entsetzt. Zum ersten Mal in langen Jahren, seit er Verhandlungen führte, begann er zu schwitzen. »Aber, aber! Dachten Sie wirklich, wir wüssten nichts davon? Wir würden es niemals herausfinden?« Orlow hielt inne. An seiner Schläfe trat eine Ader hervor. »Das russische Volk, das Sie offenbar als arm, dumm und rückständig ansehen, wird nicht länger zulassen, von Waterboer seiner Diamanten beraubt zu werden.«
»Aber ich …«
Wieder sprang Orlow aus seinem Sessel auf. »Keine Lügen mehr! Sie lügen, wenn Sie die Bestechung unserer Beamten leugnen! Sie lügen, wenn Sie sagen, Russland habe damals nicht seinen Gesamtbestand geliefert! Ich habe die Akten persönlich studiert. Jedes einzelne Karat aus unseren Lagern wurde an Waterboer übersandt. Lügen Sie mich nicht an! Das russische Volk lässt sich nicht belügen!« Er schlug mit der flachen Hand auf die glänzende Tischplatte.
Zwei Leibwächter, die jedes Wort dieses Gesprächs mit versteckter Kamera aufzeichneten, grinsten sich an. Ihnen gefiel, was sie sahen: Ein echter Russe, der Wodka trank wie ein Kosak und die Angriffe eines westlichen Konzernchefs mit verbalem Kanonenfeuer parierte. Vielleicht wäre es ein Fehler, bei der nächsten Wahl auf Russkost zu setzen. Orlow war ein fähiger Mann.
Slythe verstand die Welt nicht mehr. Nichts lief wie geplant. Der Russe drohte ihm. Ihm, Piet Slythe! Dem Herrn der Diamanten. Er beruhigte sich mit der Versicherung, dass der Russe keinen Hebel besaß, den er ansetzen konnte, auch wenn er sich im Recht fühlte. Nun aber musste Slythe seine Taktik ändern. Orlow anzulügen war ein Versuch, der scheitern musste. Lügen waren nur dann mächtig, wenn sie wie die Wahrheit aussahen.
Orlow kannte die Wahrheit. Nur über die verschwundenen Diamanten schien er nichts zu wissen – und das war seltsam. Wusste Orlow wirklich nicht, dass der gewaltige russische Diamantenvorrat nur zum Teil an Waterboer gegangen war? Wenn die Antwort »Ja« lautete, hatte Pjaschinew wirklich ganze Arbeit geleistet. Ein erfreulicher Gedanke. Wenn Orlow nichts über die Diamanten wusste, würde er nicht nach ihnen suchen.
Das würde Molotoks Suche wesentlich einfacher machen. Und Waterboer würde irgendwann die Hand auf diesen Berg von Diamanten legen können und so verhindern, dass sie die Preise verdarben.
Orlow sank wieder in seinen
Weitere Kostenlose Bücher